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         Ich scheisse gern. 
          Geld stinkt nicht. Geldwäsche, dabei wäscht eine Hand die 
          andere. Sie steckt bis zum Hals in der Scheisse. Geldzuwendungen. Zuwendung. 
          In Naturalien, ein Deputat, Zigaretten, Alkohol, Freifahrten. Anfüttern. 
          Dass etwas hinüberwächst. Schmiergeld. Eine schöne Stange 
          Geld. Shit. Ich nehme das nächste Flugzeug nach Kalifornien. Der 
          Hauptkontrollraum: eine sichelförmige Konsolenreihe, Männer, 
          vor jeder Konsole postiert. Sie beobachten die Bildschirme, auf denen 
          die Informationen vorüberflimmern. Der Kontrollraum ist abgeriegelt, 
          es sind nur die Männer anwesend, die direkt mit dem Projekt zu 
          tun haben. Programmanweisungen, das ist alles, was ich habe. Na ja, 
          vielleicht ein Signal senden ... In der Gruppe erhebt sich eine Diskussion. 
          Die Begegnung wird kompliziert werden, ich muss meine eigene Mitteilung 
          irgendwie einschieben, bevor sie dahinterkommen. Ich habe seit Monaten 
          an dem Code gearbeitet, die ganze Literatur gelesen und einige der dort 
          vorgebrachten Ideen verarbeitet. Die Mitteilung muss einfach sein, ein 
          offensichtliches Zeichen. Ich merke, dass meine Ohren klingeln. Zuviel 
          Aufregung. Jetzt klingelt nur mehr das eine Ohr. Der Klingelton wird 
          höher, ich halte mir das Ohr zu. Das Klingeln lässt meinen 
          Schädel beinahe bersten. Fragen, Formulare. Ein dünnes Piepen 
          bleibt. Es hat eine Blutung im Hirnstamm gegeben, einen Zusammenbruch. 
          
          
          Was ist der Kern unserer Beziehung? Erweiterte Teilnahme, ist das der 
          richtige Jargon? In der Ferne das Stakkato irgendeiner stampfenden Maschine. 
          Du bist so verflucht unabhängig, du willst den Tatsachen nicht 
          ins Auge sehen, du beteiligst dich nicht. Wir haben uns niemals gegenseitig 
          unterstützt, oder? Nein. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich 
          das jetzt möchte. Eine Art Zustandsveränderung, eine globale 
          Verschiebung meiner Wahrnehmung. Ich sehe dich. Formelle Abwesenheit 
          wertvoller Dinge. Ein Seufzer. Ich sauge Luft ein und gebe sie wieder 
          frei. Entspann dich! Lass es auf dich zukommen. Sei vernünftig, 
          handle überlegt! Ping! Die gemütlichen Zeiten sind schon lange 
          vorbei. 
         Mein Kontrollgerät 
          piept weiter. Ich spreche in mein Kopfmikrofon. Was machst du denn da? 
          Ich sende. Ich tippe den entscheidenden Teil ein: meinen Erkennungscode. 
          Es ist ein cleverer Code, komplizierte Ketten von Deduktionen und Hypothesen, 
          ein eindeutiges Zeichen nichtfeindlicher Absichten. Aber Vorsicht ist 
          geboten. Ich höre verworrene, gestammelte, schrille Schreie. Finger 
          weg. Mein Kontrollgerät piept. Das Muster ist deutlich ... meine 
          ursprüngliche Botschaft wird zurückgesendet. Ich konzentriere 
          mich auf das Brodeln in meinem Kopf. Mein Kontrollgerät schrillt, 
          gellt. Geräusche explodieren in meinem Kopf. Etwas Dunkles, Massives 
          bewegt sich durch mich hindurch. Multiple Schichten von Reflexion ... 
          es sind keine freundlichen Schatten, die sich hier drängen. Es 
          ist ein Ort für Hinterhalte, aber ich habe keine Angst davor, ich 
          beobachte diese Dinge einfach im Hier und Jetzt. So wird das gemacht. 
          Alles stoppt. Die Strasse ist ein verschwommenes, banales Texture-Map. 
          Die Wolken sind ebenfalls primitives, fraktales Allerweltszeug. Keine 
          Frage, sie fühlt sich hier nicht übermässig wohl. Sie 
          klappt das Visier hoch. Unkontrollierbare Blutungen. 
         Das Kontrollgerät 
          ... ja sicher. Das Gerät hat sowohl akustischen als auch elektrischen 
          Kontakt mit dem Nervensystem. Die meiste Zeit arbeitet es passiv ... 
          neurologische Impulsgeber sind hochgradig exakt, müssen es sein. 
          Der Stimulus des Kontrollgeräts erhält mich am Leben. Irgendwie 
          wird der synaptische Zusammenbruch ausgeglichen, lang kann dieser Zustand 
          jedoch nicht anhalten. Ist das legal, was ich hier machen soll? Schwer 
          zu sagen. Nie taucht was auf, nicht einmal bei der gründlichsten 
          Analyse. Sie ist eine bloss physische Präsenz. Ihr fehlt etwas. 
          Etwas stimmt nicht mit ihr. Sie ist ein netter Kerl, eine Mutantin, 
          das Zufallsprodukt geheimer klinischer Versuche mit Drogen ... Die Luft 
          ist kristallklar. Pfützen von einem noch nicht lange zurückliegenden 
          Regen zersplittern das herabfallende Licht. Mohnblumen, Malven, Zinnien, 
          Kakteen und Gruppen gelber Flechten. Ein Kaninchen springt zur Seite. 
          Blauer cremeartiger Himmel, voll flatterndem Leben, dahintreibenden 
          Klecksen, verzerrten Wolken. Dieser Ort ist fremdartig. Ich erinnere 
          mich - an den Flug in die hochgelegene Wüste, an das Wandern ... 
          daran, dass ich an einer hohen Stelle stehe, auf ein flaches Schachbrett 
          aus Dingen hinuntersehe, aus Kategorien und Koordinatensystemen und 
          Formen und Strukturen. Ich beobachte mich. Ich sehe, wie ein Vogel in 
          einem Strauch Schutz sucht. Die erste Schicht: Vogel. Flügel. Ein 
          glänzendes Braun. Die zweite Schicht: Flug. Bewegung. Impuls. Analyse. 
          Ist Blut ein Symbol des Lebens? Oder des Todes? 
         Was ich brauche, 
          sind Menschen. Die Fühlungnahme mit der eigenen Art. Es geht nur, 
          wenn ich loslasse. Es gibt dem Zufälligen Raum. Aber ... mit mir 
          ist irgendwas passiert ... mir dämmert langsam, dass ich gar kein 
          Ich habe. Nur Subroutinen: wenig anpassungsfähige Überlebensmuster, 
          die verzweifelt zusammenwirken, um annähernd so etwas wie mich 
          zu erschaffen, ohne dass es ihnen jemals vollständig gelungen wäre. 
          Und das erkenne ich erst jetzt, obwohl mir irgendwie schon immer bewusst 
          war, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung ist. Immerhin: irgendwo 
          in meinem Innern verschiebt sich etwas. Da ist Bewegung und das Potential 
          für noch grössere Bewegung. Und all das ist ein Geschenk der 
          Krankheit. Ich bin nur ein mikroskopisch kleines Rädchen, das in 
          riesigen fraktalen Informationsfeldern sitzt. In Informationsfeldern, 
          in denen sich eine unbegreifliche Macht oder Intelligenz verbirgt. Ein 
          mikroskopisch kleines Rädchen in einem verhängnisvollen Plan. 
          Aber an einer zentralen Stelle, das spüre ich. Am kritischen Punkt. 
          
         Das Loch ist dunkel, 
          die Luft darin abgestanden. Dieser Abschnitt enthält eine Anspielung 
          auf Geschöpfe aus einer anderen Welt. All das - die stille Spannung 
          im Loch, die zusammengedrängten Minuten, das Gefühl der Unsicherheit 
          und Verwirrung - scheinen Teile eines vertrackten Puzzles zu sein. Die 
          Männer arbeiten sich gerade durch die neueste Ausgabe einer Enzyklopädie. 
          Sie haben den Auftrag, jede einzelne Zeile zu redigieren. Sie arbeiten 
          mit einem eigens erstellten Code und einer Zeichenmatrix, die eine grosse 
          Informationsdichte gestatten. Wer, wenn nicht ich, verfügte über 
          genügend Erfahrung mit informationsintensiven Zeichensystemen ... 
          doch je älter ich werde, desto aalglatter werden die Menschen, 
          mit denen ich zu tun habe, desto raffinierter werden ihre Kampfformen. 
          Ich bin nicht für dieses Spiel geschaffen. Diese Maschine ist nicht 
          gewillt, noch länger zu warten. Sie bittet um eine Verlegung des 
          Tatortes. Wir kommunizieren jetzt mittels Hochenergieübertragung, 
          direkt. Eine Art gegenseitiges Inspizieren sozusagen. Ich habe etwas 
          entdeckt, das ich niemals erwartet hätte. Ich blicke in die leeren 
          Augen und ausdruckslosen Gesichter dieser Männer. Sie schweigen. 
          Diese Maschine ist von einer unglaublichen geistigen Beweglichkeit. 
          Wir sprechen über elementare Mathematik, Physik, Zahlentheorie. 
          Ihr Verstand springt von einem Gegenstand zum nächsten und ist 
          mit jedem absolut vertraut. Kein einziges überflüssiges Wort. 
          Da ist nur so ein Gefühl des Andersseins ... Ich spüre, wie 
          sich die Luft um mich herum verdichtet, wie sich die Männer am 
          Tisch zurückziehen. Ich sage Dinge, die meine Kompetenzen überschreiten. 
          Sie existiert als viele verschiedene Persönlichkeiten, die nahezu 
          unabhängig voneinander funktionieren. 
         Mit klopfendem 
          Herzen, die Augen weit geöffnet, um die Datenflut hereinzulassen, 
          stürme ich entschlossen weiter. Sprache, zusammengeschustert aus 
          durch Wolkenkratzerschluchten pfeifenden Wind, dem Knirschen des Eises 
          auf gefrorenen Seen, dem Lärm von Laubfröschen in südlichen 
          Ländern. Es ist mir aus den Händen geglitten. Ich bin jetzt 
          ein Sicherheitsrisiko. Ich erkenne das Schema und suche nach der Signatur. 
          Da ist es. Sie macht also totale environments. Ich bin unter Stress. 
          Man sagt, ich halte mich nicht an Befehle. Bad Sector. Ballast geht 
          immer als erstes kaputt. Ich bin mir jetzt bewusst, dass ich namenlose 
          Fähigkeiten besitze. Formen der Wahrnehmung, die es vielleicht 
          noch gar nicht gibt. Ich bin einer Sichtweise sehr nahe, in der Vergangenheit 
          und Zukunft ein und dasselbe sind. Meine Gegenwart kommt mir zunehmend 
          beliebig vor, eher in praktischen Dingen begründet als durch ein 
          absolutes Jetzt definiert. Ich lasse die Schultern kreisen, um die Verspannungen 
          zu lösen. Ich schwitze. Mein Herz rast. Ganz ruhig. Nur nicht die 
          Beherrschung verlieren.
         Es ist nur so, 
          dass du das System unterläufst. Du tickst nicht richtig. Du fällst 
          oft auf die Schnauze. Es gibt eine Unterbrechung - einen Streit in einer 
          fremden Sprache, sich überstürzende, fremdartige Töne. 
          Warnsignale lärmen in meinem Kopf. Ich bin darauf konditioniert, 
          meine Arbeit zu tun, und zwar diese Arbeit. Unglücklicherweise 
          bin ich klug genug zu begreifen, dass ich mich von meiner mentalen Bindung 
          befreien kann. Der Haken bei der Sache - die ständige Wiederaufführung 
          von "Des Kaisers neue Kleider". Ich sehe die Nacktheit. Musst 
          du mich quälen? Manche Leute haben Denkmuster, die zu kompliziert 
          sind, um eine genaue Aufzeichnung der Psyche zu gestatten. Aber das 
          erklärt nur, es hilft nicht. Keine Reaktion. Vertraute Gesichter 
          springen mir mit unwirklicher Klarheit entgegen. Starrende Blicke. Ich 
          halte das nicht mehr aus. Ich muss mich erklären. Alles ist in 
          einem Sekundenbruchteil komprimiert, aber die Entscheidung ist gefallen. 
          Schocktaktiken? Es ist passiert, Pilotin ... Freudig gebe ich mein Herz. 
          Ich prüfe meine Kontrollleistung. Ich will raus hier! Bewusst konzentriere 
          ich mich auf die Biokontrolle - die Kopfschmerzen, die Lichtblitze, 
          das Dröhnen in den Ohren flauen ab und hören schliesslich 
          ganz auf. Ich hole tief Luft und blase den Atem gemächlich aus. 
          Merk dir, wie sich das anfühlt. Lang hältst du so ein überhöhtes 
          Tempo natürlich nicht durch, das Gehirn verwandelt sich in Käse. 
          Eine Zeitlang fühlt man sich sogar gut dabei, dann aber ... Ich 
          kann jetzt die Maschine kontrollieren, es geht ohne Nachdenken. 
         Wenn ich mit der 
          Transmutation nicht einverstanden bin, warum arbeite ich dann solange 
          daran? Ich habe wichtige Informationen für euch und ihr solltet 
          diese Informationen sehr ernst nehmen - diese Welt ist keine Touristenfantasie, 
          sie ist real, und hier zu leben hat seinen Preis. Es ist eine Welt innerhalb 
          der Welt, und wenn es so etwas gibt wie Orte zwischen den Dingen, Orte, 
          die in den Lücken gebaut sind, dann gibt es sicher auch dort Dinge 
          und Orte dazwischen, und auch Dinge an diesen Orten. Meine Freunde lassen 
          sich nicht blicken. Das ist ein Initiationsritus, den ich allein durchstehen 
          muss. Mein Adrenalinspiegel ist durch den Zorn erhöht, ich kann 
          nicht schlafen ... aber das Schlimmste ist ein traumloser, durch Medikamente 
          erzeugter Schlaf. Angestaute Ängste können sich nicht in der 
          Fantasie abreagieren und bauen eine namenlose, unerträgliche Spannung 
          auf. Noch nie ist der Transit beschrieben worden. Der Hafen ist schäbig, 
          schmutzig und faszinierend. Am Wasser ist es sehr kalt. Was siehst du? 
          Piloten geben nie eine Antwort. Maschinen können nicht antworten, 
          oder sie wollen es nicht. Es tut mir leid. Der Vorgang ist gefährlich, 
          man wird rasch süchtig. Sie fühlt sich wohlig warm, ihr Blick 
          ist klar und ungetrübt. Adrenalin hat nun mal diese Wirkung. Diese 
          physische Abhängigkeit beruht auf biologischen Rhythmen, möglicherweise 
          sogar auf subatomaren Vorgängen, wer weiss das schon. 
         Bilder drängen 
          auf mich ein. Eine junge Welt, ein düsterer, geheimnisvoller Ort 
          mit hochaufragenden Gebirgszügen und schwarzen, brütenden 
          Wäldern. Dichte Wolken filtern einen grossen Teil des sichtbaren 
          Lichts heraus, lassen aber die ultraviolette Strahlung durch. Niemals 
          scheint der Morgen zu dämmern. Zwielicht herrscht. Ich mache mir 
          Sorgen. Ich habe jetzt keine Zeit für Erklärungen und für 
          manche Dinge gibt es womöglich gar keine Erklärungen. Denk 
          einfach daran, was ich dir erzählt hab und dass ich hier, unter 
          dieser Adresse, für dich da bin. Ich hab nämlich schon sehr 
          oft erlebt, dass sich die genetische Bedingtheit von Grausamkeit, Vernachlässigung 
          oder Pech wie eine Ranke durch die Generationen windet. Schweigen. Es 
          geht um deinen Willen in der Welt ... früher einmal habe ich geglaubt, 
          du würdest ein Spiel mit mir treiben. Du hättest das alles 
          für mich erfunden. Um mich zu ärgern. Oder zu amüsieren. 
          Um mein Interesse wachzuhalten. Um dir meine Protektion zu sichern. 
          Momentan geht es ausschliesslich um Komplexität. Ich bin süchtig 
          nach Komplexität. Wir? Wir haben momentan nichts miteinander zu 
          tun. Physisch. Geographisch. Ich beginne mit der letzten Sequenz der 
          Übung. 
         Auf Autopilot. 
          Ärger kann abstrakt sein, wenn man auf Droge ist. Ausser Kontrolle, 
          das ist mein Leben jetzt. Ich glaube, ein leises Summen zu hören, 
          das ist alles. Etwas flimmert. Ich bin real. Ich bin hier. Ein Schmerz 
          ist in meiner Brust, bis ich mich ermahne, dass ich atmen muss. Viele 
          Leute würden mich für arm halten. Aber ich habe diesen Platz 
          zum Schlafen, ich habe Kleidung und ich habe auch etwas gegessen. Ich 
          bin dem Knotenpunkt diesmal sehr viel näher gekommen. Meine Reise 
          durch die Daten ist schon längst nicht mehr das was ich tue, sondern 
          das was ich bin. Hier macht mir die Leere in meinem Bewusstsein nicht 
          mehr zu schaffen. Ich bin eine Pilotin mit einer Mission, obwohl ich 
          keine rechte Vorstellung davon habe, worin diese Mission eigentlich 
          besteht. Begonnen hat es mit meinem Interesse für eine bestimmte 
          Art von Lärm oder Musik. Dann traten die ersten Ansätze des 
          Jäger-Syndroms auf ... Ich interessiere mich für diese Musik 
          und das aus gutem Grund. Mein Gefühl für Knotenpunkte, Punkte, 
          von denen Veränderungen ausgehen, hat meine Aufmerksamkeit immer 
          wieder darauf gelenkt. Alles schwingt unausweichlich dorthin, wie eine 
          Kompassnadel. Ich habe es nicht geplant, aber in diesem Informationsstrom 
          bin ich am meisten zuhause, oder vielmehr, am weitesten von meinem inneren 
          Loch entfernt. Komm, ich zeig dir die Schliche und Wege, wenn ich auch 
          keine Namen dafür weiss. Wir können zusehen, wie daraus Veränderungen 
          hervorgehen und in die physische Welt überspringen. Tagträume, 
          Objekte des Begehrens, Annäherungen an das globale Unbewusste, 
          die mich in grosse Verwirrung stürzen. Es geht darum, dass auf 
          echte und anfänglich sehr schmerzhafte Weise mein Herz geöffnet 
          wird. Die Version der Geschichte, in die ich dadurch Einblick bekomme, 
          hat wenig bis nichts mit allgemein anerkannten Versionen gemeinsam. 
          Man hat mir natürlich beigebracht, dass die Geschichte ebenso tot 
          ist wie die Geografie. Dass Geschichte ein historisches Konzept ist, 
          narrativ, dass sie aus Geschichten besteht, die wir uns darüber 
          erzählen. Aber Geschichte ist plastisch, ist eine Frage der Interpretation. 
          Daran hat das Digitale eigentlich nichts geändert, es hat es vielmehr 
          so offensichtlich gemacht, dass man es nicht mehr ignorieren kann. Geschichte 
          besteht aus gespeicherten Daten, und die sind der Manipulation und Interpretation 
          ausgesetzt. Das ist etwas Menschliches, glaube ich, biochemisch gesehen. 
          
         Eigenartig verdeckte 
          Daten strömen in einem fort herein. Ich weiss nicht warum, aber 
          ich brauche das. Die Situation verlangt es. Ich starre in die Leere, 
          starre in mich hinein, in die unaufhörliche Abfolge der Bilder, 
          und nehme ausserhalb dieses unendlichen, in sich geschlossenen Innenraums 
          nichts mehr wahr. Aller anderen Dinge bin ich mir nur sehr undeutlich 
          bewusst. Da sind noch andere, die sich sehr für diese Bilder interessieren 
          ... aber meine Konzentration lässt immer wieder nach, ich dämmere 
          sogar weg ... ich beobachte das matte Glimmen meines Sehnervs, namenlose 
          Farben. Das ist es nicht, aber du bist dicht dran. Ziemlich erbärmlicher 
          Tatort. Eine Topografie, aus der man Veränderungen ablesen könnte, 
          wenn die Bedeutungsinhalte bekannt wären und man hinreichend an 
          Ergebnissen interessiert wäre. Aber das ist ein heikles Thema. 
          Alternative Subkulturen sind so eine Art unbewusste Forschungs- und 
          Entwicklungsabteilung, die alternative gesellschaftliche Strategien 
          erforscht. Authentische Subkulturen brauchen vom gesamtgesellschaftlichen 
          Entwicklungsprozess abgekoppelte Gebiete und Zeít, aber solche 
          Gebiete gibt es nicht mehr. Sie gingen verloren, als sich das Marketing 
          entwickelte und die Mechanismen der Rückführung in den Markt 
          immer schneller und raubgieriger wurden. Die kleinen Bilder wechseln 
          flimmernd.
         Dieser Ort ist 
          ein Konstrukt. Keine richtige Umgebung, sondern eher ein Knoten, eine 
          Einfaltung von Informationen, die in den Substraten der ältesten 
          Codes wurzeln. Ein Ort ohne besondere Form oder Oberfläche. Es 
          könnte ein Artefakt sein. Plötzlich bin ich mir auf schreckliche 
          Weise meiner physischen Existenz bewusst, meiner körperlichen Verfassung. 
          Lungen, Herz und Nieren verschlechtern sich in den Betoneingeweiden 
          dieser Stadt. Tatsächlich werde ich bei meiner Observation selbst 
          observiert. Womöglich bloss die Nerven. Aber eigentlich bin ich 
          nicht nervös, sondern nur müde. Ein kurzer Blickkontakt sagt 
          mir alles: sie beschatten mich. Keine Frage. Ich muss irgendetwas tun, 
          womit sie nicht rechnen. Den Spiess irgendwie umdrehen, laterales Denken 
          oder so ... Manchmal ist nur eine simple spontane Aktion vonnöten, 
          etwas, womit niemand rechnet, nicht einmal ich selbst. Kümmert 
          euch gar nicht um mich. Stehen bleiben. Mit klopfendem Herzen. Horchen. 
          Gelächter. Ich habe es geschafft. Spitzenmässiges Material 
          hier, haben sich freiwillig von der gesamten menschlichen Datenwelt 
          abgespalten, ein subversives Gerücht, der Stoff für Legenden. 
          Die visuelle Darstellung ist schlampig-aggressiv, keine dezenten Andeutungen 
          von Schmutz und Abnutzung, nein, hier schwelgt man in unverhüllter 
          offener Verwesung, in Texturen, die sich fortwährend auflösen 
          und andere zerfressene Texturen freilegen. Und wie soll ich mich hier 
          präsentieren?
         Haut eh nicht hin. 
          Sie wollen es nicht. Wer, sie? Ich habe immer von einer besonderen Form 
          von Eleganz geträumt - mich einfach zu bewegen, auf die richtige 
          Art, ohne darüber nachzudenken. Wachsam, entspannt, präsent. 
          Wenn die mich haben wollen, warum schnappen die mich dann nicht einfach? 
          Ich arbeite mit einem Musterabgleich, um meine Umgebung zu scannen. 
          Ich erstelle ein Standardbild. Eigenartig. Ich bin jetzt tief drin. 
          Ich hab gesehen, was wir mit Daten machen können und was Daten 
          mit uns machen können.
         Sie können 
          einen Agenten einschleusen. Physisch, meine ich. Etwas Kleines. Etwas 
          sehr Kleines. Wie, ist letztlich egal. Zugriff ist Zugriff. Und was 
          wollen sie damit erreichen? Es geht um Netze. Man darf die Sache nicht 
          von der Funktion her betrachten, nicht von der vorgeblichen Funktion 
          her. Jede Funktion ist vorgeblich, vorläufig. Sie wollen einfach 
          ein Netz knüpfen, viele Netze ... Ich verkörpere die paradoxe 
          Möglichkeit, sie hingegen investieren massiv in den Status quo. 
          Solange sie mich nicht bemerken, kann ich meine Programme starten, winzige 
          lebenswichtige Gehirnareale explodieren lassen. Gehen wir zu einem neuen 
          Bild. Das System: Ähnlichkeiten, Intervalle, Töne. Harmonien, 
          eine Kodierung. Diese mentale Landschaft bietet psychische Interaktion, 
          einen Rahmen für konzeptuelle Erfahrungen, Modelle von Welt. Das 
          ist alles was ich habe. Ein Geschenk für euch. Du wirst es brauchen.
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