Geheimsignale, Wortfolgen

 


 

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Sie haben etwas vor. Sie haben eine Menge vor, wie es sich anhört. Es besteht die Möglichkeit, dass ein Teil von dem, was sie vorhaben, gefährlich sein könnte. Bilde ich mir das nur ein, oder riecht da etwas merkwürdig? Die Klangfarbe stimmt nicht. Sie werden mich einwickeln, mich verschlingen. Ich habe versagt. Dreckskerle. Natürlich, sie lieben die Jagd. Welche Möglichkeit gibt es sonst noch? Denk nach! Sie spielen mit mir, es ist nichts anderes als ein Scheissspiel. Bitte, töte mich nicht! Ich tue mein Bestes. Ich bin die einzige Überlebende. Ich hatte das Glück davonzukommen.

Technisch gesehen handelt es sich um die Untersuchung von Realitätsfeldern, dem Wesen nach von unseren nicht zu unterscheiden, über deren allgemeine Prinzipien man nur Vermutungen anstellen kann. Untersuchungen, die zu jenen Orten führen, die sonst noch nie jemand gesehen oder von denen noch nie jemand gehört hat. Als hätte man sein Leben in einer kleinen muffigen Kiste verbracht und sich darin fast wohlgefühlt, in Ermangelung besseren Wissens ... und hätte dann ein kleines Loch entdeckt, eine Öffnung, diese vergrössert durch herumbohren, bis ein immer grösserer Riss entstanden wäre, bis die ganze Kiste zerfallen wäre, und man heraustreten könnte in die kühle klare Bergluft, inmitten tiefen Tälern, seufzenden Wäldern, erhabenen Gipfeln, glitzernden Seen, funkelnden Schneefeldern und einem tiefblauen Himmel. Es ist wie eine Droge, eine Unzahl von Konfigurationen von Wundern und Worten, die das humanbasierte Gehirn kaum zu erfassen vermag.

Einige der Universen besitzen lediglich eine winzige, aber entscheidende Veränderung, die zu einer feinen Verdrehung der Art und Weise führt, wie die Dinge funktionieren, andere stellen eine derart extreme Abweichung von der Norm dar, dass ein absolut erstklassiges Gehirn Jahre intensiven Nachdenkens bräuchte, um auch nur einen spärlich vertrauten Strang einer erkennbaren Realität zu finden, der eine verständliche Übersetzung ermöglichte. Alles was wir begreifen, ist eine armselige Lehmhütte dagegen. Man kann sich darin so vollkommen verlieren, dass man unter Umständen vergisst, dass es überhaupt eine Basisrealität gibt. Es spielt keine Rolle, wie armselig und grau und gemein und herabwürdigend und völlig sinnentleert die Basisrealität ist. Ihre Programme sind dann nichts anderes mehr als tote Kulissen, leblose Instruktionen. Das Vertrauen in unser materielles Universum verkümmert allmählich, es kommt einem unsauber, sinnlos und sogar peinlich vor. Das Herz macht einfach schlapp.

Ich glaube, ich habe etwas gefunden. Ja ja. Na und? Wer von uns hat nicht schon mal teilgehabt an einem Plan, einer listigen oder geheimen Aktion, einer bestimmten Strategie oder einem Ablenkungsmanöver ... Ich bin beschämt. Meine Angst – mein Horror – ist darin begründet, dass unsere Loslösung von materiellen Zwängen uns womöglich für unsere wahre, unterschwellige Natur blind gemacht hat. Jetzt sind wir plötzlich mit etwas konfrontiert, das wir nicht in den Griff bekommen. Aber bis jetzt ist noch nichts passiert. Hast du nicht die Projektionen durchgeführt? Die Ergebnisse bereiten mir Sorgen. Meine Gefühle bereiten mir Sorgen. Ich frage mich, wo wir innehalten werden, um den Preis zu erlangen, den diese Expedition anzubieten haben mag. Übrigens: Simulationen, Abstraktionen, Projektionen – sie sind nichts anderes als das, nicht die Wirklichkeit, die sie darzustellen behaupten. Ich habe ja auch einen Ruf zu bewahren. Und ich möchte darauf hinweisen, dass wir immer noch im Dunklen tappen. Wir sind noch gar nicht sicher, ob es wirklich eine Verschwörung gibt, die über das Maß des normalen Pläneschmiedens hinausgeht, über diesen Unsinn, den wir von Zeit zu Zeit in irgendeiner Clique betreiben.

Es ist ein strahlend heller, kalter Tag, die Luft schmeckt scharf und der Wind frischt noch mehr auf. Tatsächlich ein strenger Winter. Diese Sache läuft überhaupt nicht so, wie ich gehofft habe. Es müssen Worte sein, fürchte ich. Der grösste Teil des technischen Raums ist nicht einmal mit Luft gefüllt. Ein vollkommen leerer Universalraum also. Ich war das. Hast du es geahnt? Vertraust du mir noch? Wo sind die Wälder, die Pflanzen? Die organische Synthese ist unsere fortschrittlichste Technik, das weisst du ... Ich erwache mit der Erinnerung an meinen Tod. Meine Augen und mein Mund sind offen, ich atme keuchend die dünne Luft ein. Meine Beine zucken, meine Finger reiben sich am Sand. Ich kralle die Finger in den Boden und sehe zum tiefblauen Himmel auf. Ich bin eine Humanäquivalentmaschine, bitte nicht erschrecken. Du bist kräftiger als du glaubst. Wie weit? Wie lange? Wir reden hier über geologische Zeiträume. Ein guter Ort, um sich zu verlaufen. Aber den Überwachungssystemen entgeht nichts, wir sind in ihrem Raum, in ihrer Zeit.

Ihr kühler Intellekt ist ohne Mitgefühl, und gegenwärtig befindet er sich im Kampfmodus. Sie hat den Spion aktiviert, nicht den Soldaten, aber der Soldat ist auch da und wartet darauf, sich beim ersten Anzeichen von Gefahr einzuschalten. Die Körperbewegungen werden per remote control gemanaged, im Ruhemodus. Ich gestatte mir eine diffuse Zufriedenheit, weil ich das Überwachungssystem ausfindig gemacht und überlistet habe. Die eigentliche Gefahr droht mir von menschlichen Verfolgern. Ich wage es nicht, hinter mich zu blicken, aber jedes Echo, jeder Reflex, jeder Hinweis, der mir ins Auge fällt, wird ausgewertet und dient dazu, eine Rundumsicht aufzubauen. Eine Warnung leuchtet auf, indezente Pfeile, die erst auf ein Gesicht zeigen, dann auf ein zweites, ferne Schemen weit hinter mir. Noch nicht. Jede Menge Holz und Metall. Die Musik ist ein maschinenhafter Hintergrundlärm. Dem Drang, in eine Art Mimikry zu verfallen, lässt sich nur schwer widerstehen. Erklär mir ein paar Dinge. Gilt es hier als normal, sich mit einer Maschine zu unterhalten? Nachrichtenschnipsel über Arbeitskonflikte, technische Artikel über Assembler, Reaktoren und dergleichen; ein paar Spalten voll paranoiden Geschwätzes über wichtige Persönlichkeiten; und weitschweifige Abhandlungen über künstliche Intelligenz. Ich bin eine Maschine. Mein Gehirn ist überwiegend künstlichen Ursprungs. Trotzdem nehme ich mich als Person wahr. Warum? Wegen der Schnelldenker, nicht wahr? Und wegen der Toten? Ich warte ständig darauf, dass ich aufwache.

Du musst damit rechnen, dass es zu einer emotionalen Reaktion kommt. Sie werden mir schon nichts tun. Nur einen Programmfehler beheben. Das ist unwichtig. Weil sie bloss eine Maschine ist. Und die Überwachungssysteme? Dass ich nicht lache. Sämtliche Aufzeichnungen im Umkreis werden unwiederbringlich korrumpiert, zerhackt, gespleisst und neue gemischt. Die Musik enthält Amplituden und elektronische Unterströmungen, die dieWirkung von Drogen haben. Diese plötzlichen verschwommenen Kopfbewegungen sind verräterisch. An die vage menschliche Ausdrucksweise bin ich gewöhnt. Mein Körper und meine Nerven werden müde. Ich brauche wenig Schlaf, aber ich muss mich ausruhen und träumen. Eins nach dem anderen müssen meine Ichs abschalten, offline gehen, die Ereignisse des Tages komprimieren, assimilieren und integrieren. Meine Sexprogramme übertrage ich alle in einen bestimmten Bereich, maskiere diesen vor dem Ich und befreie mich ... Ich habe weit mehr Bewusstseinstools, als ich eigentlich haben sollte. Aber warum hast du überhaupt diese ganze Zusatzsoftware geladen? Es fällt mir schwer, mich an meine frühere Eindimensionalität zu erinnern, als ich von einem Bewusstseinszustand in den nächsten wechselte und stets ich selbst war, immer eine einzige Person.. Damals war ich meiner nicht weniger bewusst als heute, doch es war ein ungeteiltes, naives, lenkbares Bewusstsein, ohne innere Freiheit. Nur Instinkt.

Heisst das, du glaubst an gar nichts? Kein Gott, kein Land, keine Gesellschaft. Bloss Menschen und Dinge. Allem zugrunde liegt die Reproduktion des Alltagslebens. Bestellungen, Rechnungen, Zahlungen, Transaktionen. Alte Gewohnheiten – was du auch sagst, sag nichts. Die Besitzrechte – was Menschen anderen Menschen mit Sachen zu tun gestatten – sind komplex und differenziert, und das Entbündeln und Neu-Packen und Übermitteln dieser Rechte geht mit hoher Geschwindigkeit vonstatten: Zeitaktien, Innovationsfutures, Leiharbeitsverträge, Geburtsrechte ... Die meisten Martern und Demütigungen, die wir auf dem Bildschirm sehen, sind glücklicherweise reine Pornografie. Politik – Fehlanzeige. Too much trouble, man. Halt dich aus allem raus, zieh den Kopf ein, so war es schon immer, und es wird sich auch nie etwas dran ändern. Wir sind nicht mehr in Kasachstan. Was ist passiert? Können wir hier unbelauscht reden? Natürlich befinde ich mich in einer virtuellen Realität. Es gibt riesige Wesenheiten, die wir Makros nennen. Sie bestehen aus Nanomaschinen und sind die Plattform für Millionen Bewusstseine, "Schnelldenker".

Wenn ich im Ich-Modus bin, stelle ich mir das System als "Schwester" vor: sie weiss alles, verbessert mich, schafft hinter mir Ordnung. Sie geht nicht oft ins System und hält sich nie lange in dieser dünnen, sterilen Luft auf. Jetzt nimmt mein kaltes inneres Auge die Hierarchie meiner Ichs, meine Bewusstseine und Werkzeuge in sich auf, ihre gemeinsamen Strukturen und die unaufhörliche Aktivität des Systems, das sie zu einer Person verschmilzt. Die gespeicherten Geheimnisse sind auf einem anderen Ast verborgen. Dazu habe ich keinen Zugang. Trotzdem sind sie immer gegenwärtig, und nun werden sie systematisch belagert von den geduldigen, geistlosen Subroutinen des Systems, die Code für Code knacken. Sie fällt wieder in den Ich-Modus zurück. Also so ist es abgelaufen. So wurde ich ich selbst. Darin ist ein Befehlscode verborgen. Vielleicht ist es mir unmöglich, auf diese besonderen Fähigkeiten zuzugreifen. Falls das System meine Zugriffsrechte verändert hat ... ich weiss es nicht, auch das gehört zu einen Teil des Betriebssystems, zu dem ich keinen Zugang habe. Mich fröstelt, jedoch nicht vor Angst oder Erregung. Ach, scheiss drauf! Jetzt weiss ich wenigstens, dass ich einen freien Willen habe. Sollen wir nicht erstmal saubermachen?

Wenn wir wissen wollen, ob es sich lohnt, etwas herzustellen, dann besorgen wir uns die Antwort bei der Erkenntnismaschine namens Markt. Wenn wir wissen wollen, ob etwas funktioniert, besorgen wir uns die Antwort bei einer anderen Erkenntnismaschine namens Wissenschaft. Wenn wir wissen wollen, ob jemand das Recht hat, einen anderen Menschen zu töten, bedienen wir uns einer Erkenntnismaschine namens Recht. Vielleicht bin ich ja doch menschlich, bloss meine Opfer sind es nicht. Vielleicht haben sie alle eine parasitäre Mimikry gemeinsam, die ich nicht durchschaue. Von hier aus geht es nicht mehr tiefer hinab. Ich habe mich an das Leben im "informellen Sektor" gewöhnt. Wie verhält man sich im Krieg? Luftgefechte zwischen Jagd- und Bombenflugzeugen werden als Duelle dargestellt. Den ersten Schuss zu haben, bedeutet für beide Gegner, dass die Wahrscheinlichkeit eines Fehltreffers maximiert wird. Aber die bessere Schussmöglichkeit zu haben, maximiert auch die Wahrscheinlichkeit, getroffen zu werden. Die entscheidende Frage ist, wann geschossen werden soll. Ich verstehe. Ich mache Schluss. Es kann nicht verkehrt sein. Es ist nicht falsch. Leute sterben. Gehirne werden zerstört. Massenvernichtung. Schlimmste Schrecken. Die Meinungs-Anpasser lügen, betrügen, handeln in höchstem Maße unehrenhaft. Ja, vielleicht ist der Exzess die Lösung. Vielleicht ist er all das wert, was in seinem Namen riskiert wird, und fähig, eine friedliche Lösung herbeizuführen. Das ist eine süsse Vorstellung. Grosse Scheisse! Zuviel ist bereits geschehen. Ich lese den Satz noch einmal. Zerstörung soll es also sein. Ich habe natürlich keine Wahl. Es gibt eine Verschwörung ...

Wie ist der Name der Widerstandsgruppe? Du sollst dir durch deine Paranoia nicht den Blick aufs Wesentliche verstellen lassen. Und zu welchem Zweck? Um ein grösseres Verbrechen zu verschleiern? Was ist, wenn es noch ein weiteres Muster gibt? Es gibt ein Muster, davon bin ich fest überzeugt. Ich weiss es instinktiv, so wie ein Wolf eine Beute auf der anderen Seite des Waldes wittert. Es ist jetzt ohnehin zu spät, um sich die Sache noch einmal zu überlegen. Zuviel ist bereits geschehen. Also, wie ist das, wenn man sich im Krieg befindet? Schrecklich beängstigend. Wir haben uns ferngehalten und allen anderen empfohlen, das Gleiche zu tun. Wir hätten wissen müssen, dass das Ganze von vornherein verdächtig ist. Das ist das Problem mit Leuten wie diesen. Wenn du glaubst, die ersten Anzeichen dafür zu erkennen, dass sie verantwortungsvoll handeln, dann ist es in Wirklichkeit so, dass sie noch unaufrichtiger und verschlagener sind als sonst. Moment mal, empfängst du das auch? Da haben wir es. In Wirklichkeit ist es die reine Hölle. Ich habe nicht zum ersten Mal das Gefühl, in der Falle zu sitzen, doch nie zuvor ist es so schlimm gewesen, noch nie habe ich mich derart hilflos gefühlt.

Ihr Blick ist wieder starr nach vorn gerichtet, ihre Stirn gerunzelt. Tut mir leid, darüber kann ich nicht sprechen. Eine Zeitlang herrscht Schweigen. Ist es das? Ich empfinde Angst, Erregung, Enttäuschung – alles gleichzeitig. Angst vor der Abwesenheit von etwas. Erregung, weil ich Zeuge eines Vorgangs bin und die entsprechenden Maßnahmen ergreife. Enttäuschung, weil mich das deutliche Gefühl beschleicht, dass damit schon alles geschehen ist. Endlos erscheinende Langeweile, Augenblicke blendenden Schreckens.

Dieses Ding hat reagiert! Ich habe es vermutet, dennoch ist es ein Schock ... Und wieder endlose Langeweile. Wir haben jede uns bekannte Form der Kommunikation ausprobiert und nichts zurückbekommen. Wir müssen mehr tun! Wirst du mein Gehirnsubstrat empfangen? Überaus wild schwelgende Simulationen. Eine Flut reinen Vergnügens schwappt durch mein Gehirn. Gestalte deinen eigenen Krieg, simuliere Einzelheiten und praktische Hinweise. Positives Denken. Neue Technik, inspirierte Kunst, Heldensagen und besserer Sex. Index. Verzeichnis Sonderberichte. Noch nie habe ich mich so gut gefühlt. Bald, sehr bald werde ich sterben. Schnell, während die anderen nicht hersehen. Ich weiss, was ich zu tun habe. Roger. Also, es geht los. Ist es nicht fast soweit? Sie überwachen die Bilder aus den Tiefen ihrer jeweiligen virtuellen Welt. Ich sehe eine grafische Darstellung der Strassen und des Verkehrs darauf. Alle sind an ihrem Platz. Unsere Zielperson leistet Widerstand, aber wir haben die Situation untrer Kontrolle. Einige Stunden vor dem Morgengrauen warte ich in der Kälte auf Anweisungen. Alle sind mit Datenfiltern ausgerüstet, die nur daran hindern, sich bewusst an etwas potenziell Heikles zu erinnern. Man tut, was man tun muss, und niemand wird etwas anderes sagen. Lethargie und Trägheit stumpfen meine Beklemmungen ab, ein verminderter Stoffwechsel macht es mir nur bei angestrengter Konzentration möglich, einen zusammenhängenden Gedankengang zu verfolgen.

Wie war es heute in der Klinik? Hattest du wieder diese Kopfschmerzen? Zum Glück scheinen die alptraumartigen Visionen für den Augenblick in den Hintergrund getreten zu sein. Dort in den stillen Schlafsälen schlafen die Dauerschläfer ihren langen, traumlosen Schlaf – die Vorhut einer gewaltigen Somnambulistenarmee, die sich zum letzten Marsch formiert. Im grossen und ganzen sind wir Nachtmenschen. Ich weiss nicht, wie ich reagieren soll. Ich will gar nicht so tun, als kapiere ich es. Wo wird das enden? Das Plateau ist eine stille Ebene, belebt durch kleine Blumen und grelle Moos- und Flechtenpolster. Mücken schweben über den Grasbüscheln, Käfer krabbeln über die Blumen. Ständig weht ein bitterkalter Wind aus dem Norden. Wir können nur vorwärts oder zurück Es gibt zwei Arten von Wahrheiten – eine persönliche Wahrheit und eine universelle Wahrheit, wie etwa die Konstante der Lichtgeschwindigkeit. Warum knüpfen wir nicht einfach gute Verbindungen zu unseren Feinden?

Mitten aus den Wolken erhebt sich eine purpurne Sonne – die Schatten, die sie wirft, rasen über die endlos weite Ebene. In der Ferne dröhnt und stöhnt das Meer. Es ist ein einsamer Ort, aber ich bin an Einsamkeit gewöhnt. Der Wind zerrt an mir und ich gehe weiter. Ich weiss, dass ich mich in einem riesigen abgeschlossenen Raum befinde. In Situationen, in denen sich andere Leute keine Gedanken machen, zähle ich zwei und zwei zusammen. Ich stelle Verbindungen her. Ich schaffe Gesamtheiten, die grösser sind als alle Teile zusammengenommen. Das Streben nach einem Muster ... Meine Sinne sind hellwach. Es gibt natürlich ein Zeitproblem, an dem gearbeitet werden muss. Beginn der Displacer-Sequenz. Herrje, nichts funktioniert! Der Blickwinkel ändert sich erneut. Ein Teil meines Gehirns lauscht auf die heulenden, pochenden Laute, die aus dem verschlossenen Raum dringen. Ich wundere mich über die Dinge, die sich in meinem Unterbewusstsein abspielen. Hast du da nicht was übersehen? Die Zukunft ist immer ein Konstrukt. Aus der Sicht der Gegenwart existiert sie noch gar nicht. Und sie kann überhaupt nicht existieren, bis sie zur Gegenwart wird. Oszillierende Probablilitätswellen, das ist alles, was unser Universum ausmacht, so dass in Wirklichkeit nichts geschieht, bis ein Betrachter die Umformung der Probabilitätswelle in eine Aktualität auslöst ... Nur stimmt an diesem Bild eines nicht – jedes Ereignis wird entlang des Zeitstrangs von einer Vielzahl von Beobachtern beobachtet, und jede Beobachtung modifiziert die Probabilitäten. Aus dem Blickwinkel eines Betrachters, der in der Illusion einer linearen Zeit befangen ist, aktualisieren sich Probabilitätswellen definitiv zu Ereignissen. Aber aus der Perspektive eines übergeordneten Beobachters, der sich ausserhalb unseres Universums aufhält, existieren sämtliche Vorgänge ausschliesslich als oszillierende Probabilitätswellen und deshalb geschieht niemals irgendetwas definitiv. Wir beteiligen uns ständig daran. Die ganze Zeit. Und das ist meine Story. Nichts geschieht jemals definitiv, weil alle Ereignisse im vierdimensionalen Raum als Probabilitätswellen existieren ... die sogenannte Zukunft kann die Probabilitätsoszillationen der sogenannten Vergangenheit ebenso leicht beeinflussen wie die Vergangenheit die Probabilitätsoszillationen der Zukunft.

Fangen wir an, ja? Was ist, ist Realität. Und um das Maß vollzumachen, warum rennst du nicht mit dem Kopf gegen die Wand? Man weiss eben nie, was wirklich in einem Menschen steckt. Manchmal verfügt er über eine erstklassige zerebrale Hardware. Keine Spezialeffekte, keinerlei Hokuspokus, keine erkennbaren Verstösse gegen die Gesetzmässigkeiten von Masse und Energie. Dann driftet mein Geist davon. He, ich glaube, ich sterbe gerade. Ich sehe nichts, ich höre nichts, ich kann nicht um Hilfe rufen. Scheisse, immer muss ich umkippen. Der Text lässt mir keine Wahl. Im Grunde ist es ein einfaches Dokument. Sämtliche Informationen, Daten, Erkenntnisse und Tatsachen unterliegen der Geheimhaltung. Für den Fall der Zuwiderhandlung werden strafrechtliche Konsequenzen angedroht. Was ich auch tue, kann mich in Schwierigkeiten bringen.Wieder stockt mir der Atem, und einen Augenblick lang fühle ich mich klein, verwundbar, dem Tode nahe. Der Augenblick geht vorüber. Sklavenarbeit. Diese Daten sind bestenfalls eine Serie von Annäherungswerten. Also arbeiten wir statt dessen mit Computersimulationen: elektronischen Annäherungen an die Realität mittels Programmen, die das wenige bekannte Wissen verarbeiten und zurückspielen. Trotzdem spreche ich zu niemandem davon. Je weniger Leute wissen, was wirklich vorgeht, desto besser. Das ist entscheidend! Lebenswichtig! Es kommt darauf nur an, keine unüberlegten Schritte zu tun. Wir sind eben eine festgefügte kleine Familie. Wir sind Gefangene, Marionetten. Zustandsmeldung? Lebenserhaltende Systeme? Strukturelle Unversehrtheit? Keine Probleme. Energie im grünen Bereich. Alle Systeme funktionieren normal.

Zum ersten Mal wird mir bewusst, dass ich lieber hier bin als irgendwo sonst. Aber eine innere Stimme sagt: Das ist nicht der Grund deiner Sorge. Da scheint sich ein Unwetter zusammenzubrauen. Ich trete in den feuchten, böigen Wind hinaus. Es riecht nach Schnee. Wir sind Ratten. Ein Zuchtexperiment. Ziemlich komplexes Verhalten für eine Horde von Laborratten. Warum an einem perfekten Modell herumpfuschen? Das ist vielleicht der Sinn der Sache ... Lockvögel, oder Opferlämmer. Wir sollen herausfinden, wo die Aggressionen und die Waffen sind. Nein danke. Es gibt Dinge, die ich nicht unbedingt wissen muss. Wir werden die Anlagen bald zu neuem Leben erwecken. Es soll alles besser als zuvor werden. Denk an angenehme Dinge, bevor du in den Schlaf eintauchst. Ruhige Naturaufnahmen zum Beispiel. Wie machst du das? Reine Übung.

Nehmen wir mal eine Sekunde lang an, dass dem Universum nicht alles egal ist. Nehmen wir an, deine Aktion weckt seine Aufmerksamkeit. Ein Mensch ist explodiert. Es ist ein Experiment. Jemand testet uns. Spürst du das nicht? Eine Metapher. So wie alles hier eine Metapher ist. Ich könnte jetzt einfach sagen: Damit ist der Beweisvortrag abgeschlossen. Was eben laufend passiert. Es geschehen viele unerklärliche Dinge. Sie scheinen einfach so durch die Gegend zu schlendern. Touristen. Tarnung, nehme ich an ... eine Art Standard-Konfiguration. Kennst du die Zukunft? Die Zukunft ist keine Linie. Es gibt viele Zukunftsmöglichkeiten, auch wenn wir da nicht ganz durchblicken. Das widerspricht den Gesetzen der Physik – oder widerspricht unser Physikmodell der Realität? Die Elektronik funktioniert auf jeden Fall tadellos. Restlichtverstärker, Zoom, Infrarot, Bildstabilisatoren, Autofokus sorgen dafür, dass meine Bilder stets einwandfrei sind.

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