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        Woher kommt dieses 
          Gefühl von Identität? Kontinuität? Konsistenz? Ein Gedanke 
          folgt dem nächsten, in einem zusammenhängenden Muster. Wodurch 
          entsteht dieses Muster? Wenn das in Frage kommende Muster, "Ich", kein 
          definiertes, räumlich abgegrenztes Objekt ist - sondern eine in 
          sich abgeschlossene Welt, in der es mindestens einen Beobachter gibt, 
          der die Rasterpunkte des Musters von innen wahrnehmen kann... Das ist 
          denkbar. Nicht nur das: Ich tue es. Und können solche Muster - 
          gleich, wie wirr und zufällig sie in der realen Zeit sein mögen 
          - sich auch ihrer selbst bewusst sein? Können sie sich vielleicht 
          ihre eigene, sinnvolle Welt zusammendenken, wie ich es tue? Will ich 
          immer noch aussteigen? Nein. Nein! Ich möchte Lebenskeime für 
          eine Biosphäre entwickeln. Eine Umwelt. Es tut mir leid, ich drücke 
          mich nicht sehr klar aus. Ich möchte einen kompletten Lebensraum 
          erschaffen. Es ist nicht so aufwendig, eine grundsätzliche Topographie 
          zu entwickeln, auf die Form der Berge, Täler und Küsten kommt 
          es nicht an. Eine statistische Beschreibung genügt, eine Beschränkung 
          auf die wesentichen fraktalen Dimensionen. Die Grösse des Lebensraums 
          und die Variationsbreite von Klima und Landschaft sind entscheidend. 
          Aber hat es einen Sinn, so etwas zu modellieren? Solche Effekte werden 
          immer hypothetisch bleiben.
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        Dieses Projekt ist 
          eine Art Gedankenexperiment. Der Versuch eines Beweises. So könnte 
          es funktionieren. Das ist richtig. Vergiss nicht, man muss die Phantasie 
          der Leute anregen. Das Projekt ist die abstrakteste Programmierarbeit, 
          die man sich denken kann. Nicht die Simulation einer nicht existierenden 
          Welt, sondern quasi die "Simulation" einer Simulation, die niemals ausgeführt 
          werden kann. Vielleicht lässt sich eine Lösung realisieren, 
          die bestens funktioniert. Wozu? Als Hilfsmittel bei Gedankenexperimenten. 
          Als Beweis, dass es vielleicht möglich ist. Es ist zu schön, 
          um wahr zu sein. Ein Traumjob. Die Strasse da draussen kommt mir seltsam, 
          fast erschreckend vor. Mir wird plötzlich klar, dass jedes Wort 
          davon stimmt. Aber wenn ich mich nicht ganz und gar in diese Arbeit 
          vertiefe, dann schaffe ich es nicht, dann wird nichts aus der neuen 
          Welt. Es ist auch wichtig für mich, Erfolg zu haben. So geht es 
          immer: Sie zerstört Brücken hinter sich, jagt Leute davon. 
          Vereinfacht ihr Leben.
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        Staubteilchen schweben 
          durch den Lichtstrahl, der schräg aus einer Lücke zwischen 
          den Vorhängen herabfällt, jedes einzelne nur für einen 
          kurzen Augenblick in die Welt beschworen und wieder aus ihr verbannt. 
          Ich kann mir nicht erklären, warum ich so lange geschlafen habe, 
          aber es kümmert mich auch nicht. Ich schliesse die Augen und lasse 
          meinen Geist treiben - und stocke, ohne zu wissen, warum. Ich habe etwas 
          Dummes getan, etwas Verrücktes, etwas, das ich schon bald bitter 
          bereuen werde. Mit einem Satz bin ich aus dem Bett, werfe mich fast 
          auf den Boden, kauere dort, die Fäuste gegen die Augen gepresst, 
          das Gesicht auf den Knien, während meine Lippen unhörbare 
          Laute formen. Die Erkenntnis ist ein Schock, mit Händen zu greifen. 
          Langsam kehrt die Erinnerung zurück. Ich habe damit gerechnet, 
          dass meine Reaktionen so ausfallen werden. Alles geplant. Wie schrecklich 
          ich mich in diesem Augenblick auch fühle, mein Verhalten entspricht 
          den Erwartungen. Panik, Reue, dann Einsicht, Sich-Fügen.
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        Wohin ich auch blicke, 
          die Simulation ist perfekt. Ich schaffe meine Umgebung, indem ich den 
          Blick auf sie richte. Der Verlauf der hypothetischen Lichtstrahlen, 
          die die einzelnen Zapfen und Stäbchen meiner simulierten Netzhäute 
          erregen, wird in seine virtuelle Umgebung zurückverfolgt - damit 
          steht fest, was gerade zu berechnen ist. Alles in diesem Zimmer ist 
          zur rechten Zeit fein genug strukturiert, um mich zu täuschen. 
          Nicht mehr und nicht weniger. Ich weiss das alles, die technischen Einzelheiten 
          sind mir seit Jahren vertraut. So schnell du deinen Kopf auch drehst, 
          du wirst nie merken, was tatsächlich um dich herum geschieht... 
          Erneut schliesse ich die Augen. Als ich sie nach einer Weile wieder 
          öffne, ist das Gefühl ein wenig erträglicher geworden. 
          Jetzt auf einmal fällt mir ein: Was macht mich denn so sicher, 
          dass ich aus Fleisch und Blut bin? Ich lache bitter, denke nicht einmal 
          daran, diese Möglichkeit ernsthaft zu erwägen. Meine Empfindungen 
          drohen mich noch mehr an diesen Körper zu fesseln, an diesen Ort 
          zu bannen. Ich bin ein zerhackter, verlangsamter Spielzeugmensch. Ich 
          bin eine Kopie.
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        Welches grosse Projekt? 
          Es ist zwecklos, diese Welt erkunden zu wollen. Selbst die ersten kleinen 
          Schritte kann ich mir sparen. Das Bedürfnis, aus dem Fenster zu 
          schauen, kann ich doch nicht unterdrücken. Der Blick ist fehlerfrei: 
          Gebäude, Radfahrer, Bäume, alles wirkt täuschend echt. 
          Die Fussgänger und Radfahrer auf der Strasse - sie sind nicht aufzuhalten, 
          lassen sich nicht stören, gehen unbeirrbar ihrer Wege wie starke, 
          völlig desinteressierte Roboter. Nicht kalt, aber fremdartig und 
          undefinierbar. Neutral. Die Strasse ist eine Art dreidimensionaler Tapete. 
          Und die physikalische Realität hinter allem? Genug. Ich muss es 
          hinter mich bringen. Man bezeichnet den Vorgang als Aussteigen. Ich 
          bin nichts weiter als ein Traum... ein flüchtiger, bald vergessener 
          Traum.
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        Was will ich eigentlich? 
          Ich habe kein Recht, mit meiner Umgebung unzufrieden zu sein. Unter 
          anderem ein schöner Frühlingstag. Einfach zu existieren, ist 
          das nicht genug? Dieser Körper hier will nicht ausgelöscht 
          werden. Er will weitermachen, ausharren, leben. Und wenn dies hier nur 
          eine Farce ist, ein Abklatsch des wirklichen Lebens - es gibt nichts, 
          was man nicht verbessern kann. Für einige Sekunden glaube ich fast, 
          zufällig in einen Park geraten zu sein - eine versteckte Oase in 
          diesem Teil der Stadt, ein gut gehütetes Geheimnis, auch wenn es 
          noch so unmöglich ist. Ich wende mich ab. Ich weiss nicht, ob ich 
          mich ärgern oder so viel Raffinesse bewundern soll. Fehlfarben... 
          aber der Ausdruck ist eine Tautologie. Alles ist stilisiert, jede Farbe 
          ist falsch, wie auf einer Art Karte, die bestimmte Eigenschaften einer 
          Region durch bestimmte Farben wiedergibt. Manchmal ist das Bild mehr, 
          manchmal weniger abstrakt - je nachdem, was der Rechner darzustellen 
          versucht. Das sind die "Naturgesetze" dieser Welt. Ich hätte erst 
          gar nicht damit anfangen sollen. Dagegen ist das Herumspielen an einzelnen 
          Parametern trivial.
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        Eine künstliche 
          Welt...? Ja. Jemand, der die Rohdaten ohne den Schlüssel für 
          die Zuordnung sichtet, kann ein Leben lang in diesem Berg aus Zahlen 
          wühlen, ohne je herauszufinden, welche Bedeutung sie haben. Ich 
          betaste die kleine Wunde am Unterarm. Sie schmerzt... überaus realistisch. 
          Woher kommt diese täuschend echte Empfindung? Schmerz und das Denken 
          an Schmerz, das ist keineswegs ein und dasselbe. Jede meiner Annahmen 
          muss im Experiment geprüft werden. Und nichts ist trügerischer 
          als das scheinbar Selbstverständliche! Nun gut: Wenn das alles 
          nicht zählt, was dann? Menschen denken nicht in geologischen Zeiträumen. 
          Menschen denken in Stunden und Tagen, und was während dieser Stunden 
          und Tage geschieht, das interessiert sie. Menschen. Ein Ratespiel. Ein 
          Kriegsfilm. Die Abendnachrichten. Dämmerung legt sich über 
          die Stadt. Will ich tatsächlich noch immer aus diesem Traum aufwachen? 
          Dafür ist es zu spät. Der Schaden ist zu gross. Das natürliche 
          Gleichgewicht ist nur noch ein Artefakt, künstlich wie... das Mikroklima 
          einer Großstadt.
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        Hör mir zu. 
          Hör mir einfach nur zu! Wie oft muss man es dir denn sagen? Es 
          spielt eben keine Rolle, wie du dich fühlst. Aber... wann wirst 
          du endlich aufhören, deine Zeit zu verschwenden, dein Geld, deine 
          Kraft - wann wirst du aufhören, dein Leben zu vergeuden? Du bist 
          nicht stark genug, das hier zu Ende zu bringen. Was denkst du dir bloss 
          dabei? Glaubst du wirklich noch, du bist mutig - oder verrückt 
          - genug, dein eigenes Versuchskaninchen zu spielen? Glaubst du es wirklich?
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        Bürger der 
          solipsistischen Nation zu sein bedeutet, in einer eigenen Welt mit ihren 
          eigenen Gesetzen zu leben, egal, was man dabei riskiert. Es bedeutet 
          nicht, an der eigenen Dummheit zu sterben. Gibt es einen Grund, im Notfall-Modus 
          zu bleiben? Muss ich schnell Entscheidungen treffen? Aufregung und Ruhe, 
          Ermüdung und Erholung, in unaufhörlichem Wechsel. Bewegung 
          als Selbstzweck. Ich bin Bürgerin der solipsistischen Nation. Was 
          draussen passiert, kümmert mich nicht... aber trotzdem brauchen 
          wir gewisse Garantien, gesicherte Mindeststandards. Ich kann es nicht 
          bezahlen. Mach dir nichts vor: Du bist dazu verdammt, in den Slums zu 
          wohnen - aber es spielt keine Rolle. Kurzhaarig, knochiges Gesicht, 
          scharfe graue Augen. Asketisch, entschlossen, sachlich. Wessen habe 
          ich mich schuldig gemacht? Perfekte Erinnerung, sonst nichts. Ich habe 
          meine Umgebung, meinen Körper, meine Persönlichkeit, meine 
          Wahrnehmung verändert - oder besser: verfremdet, aber alle meine 
          Erfahrungen sind zu Bestandteilen des alten, immer gleichen Selbst geworden. 
          Alle Streiche, die ich meinem Gedächtnis habe spielen wollen, sind 
          meinem Bewusstsein hinzugefügt worden, haben es nicht einfach ersetzt. 
          Am Ende bin ich immer ein und dieselbe Person geblieben, die die Verantwortung 
          trägt und die Scherben wieder zusammensetzen muss. Der Gedanke, 
          dass ich am Ende diese Integrität aufgeben soll, macht mich schwindlig 
          vor Furcht. Sie ist das letzte Überbleibsel der Illusion, Mensch 
          zu sein. Die letzte grosse Lüge.
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        Möchtest du, 
          dass ich weitermache? Oder willst du wieder von vorne anfangen? Ich 
          habe mich bemüht, nicht an Geld zu denken. Natürlich. Das 
          Problem der zerbrochenen Vase. Ich beginne zu zittern. Es beginnt, hört 
          auf und kommt wieder, in immer neuen Wellen. Ich spüre eine tiefe 
          Befriedigung. Es ist, als würde ich meine Kleider zerreissen, mir 
          die Haare ausraufen, mich verstümmeln. Mein Gesicht ist hochrot 
          geworden und brennt, wie ich es seit den Wutanfällen meiner Kindheit 
          nicht mehr gespürt habe. Ich habe nicht den Wunsch, mir selbst 
          Normalität weiszumachen. Schert man sich zu sehr um die Realität, 
          wird das ständige Beobachten der Infrastruktur zur Zwangsvorstellung. 
          Kümmert man sich zuwenig darum, dann verliert man sich immer mehr 
          in einer selbstzufriedenen Fantasiewelt, in der das Leben weitergeht 
          und alles Widersprüchliche vermieden oder weggeleugnet wird. Nur 
          ein Gedankenexperiment! Ist das zuviel verlangt? Mehr habe ich auch 
          an mir selbst nicht versucht. Fast hätte ich gelacht. Ich weiss 
          immer noch nicht, wie man lebt. Sachlichkeit, Ehrlichkeit, Selbstgefälligkeit 
          - Wahnsinn. Wie gesagt, ein Drahtseilakt. Ich bin des ewigen Nachdenkens 
          müde, der bohrenden Frage in jeder wachen Sekunde: Wer bin ich? 
          Ich bin nur eine Ansammlung von nüchternen Daten. Das Wunder ist, 
          dass ich überhaupt an meine Existenz glauben kann.
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        Ich spaziere zum 
          Brunnen. Beim Näherkommen bemerke ich, dass die feinen Wasserspritzer 
          nicht spürbar sind. Wenn ich die Hand ins Becken tauche, fühle 
          ich nichts, die Bewegung meiner Finger hinterlässt keine Spuren 
          in dem aufgewirbelten Schaum der Wasseroberfläche. Mit diesem Modell 
          ist keine Interaktion möglich. Der Brunnen ist ein geschlossenes 
          System. Ich könnte es einrichten, dass mich solche Dinge nicht 
          mehr stören. Das will ich aber nicht. Ich bin noch immer ein Mensch, 
          ich habe immer noch so etwas wie einen Charakter. Ich will nicht gleichgültig 
          sein. Und wenn ich dieses isolierte Leben nicht ertrage? Kein Körper, 
          keine Müdigkeit, keine Ablenkung. Nur beobachten. Zusehen, wie 
          Wirklichkeit entsteht. Alles hier drinnen ist Fiktion, eben nur Schein. 
          Auch du bist nur Schein... und ich. Ändern? Wie denn? Virtuell 
          bleibt virtuell! Ich kann nicht einfach etwas anderes daraus machen. 
          Keine Verbindung, keine Kommunikation nach draussen. Eine Insel fern 
          der Realität, irgendwo, nirgendwo.
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        Komm wieder auf 
          den Boden der Tatsachen. Erde unter den Füssen, wärmendes 
          Sonnenlicht. Es ist die einzige Welt, die wirklich zählt. Ich kann 
          nicht so tun, als wüsste ich das nicht. Diese Welt ist ein psychologisches 
          Bedürfnis, die Realität als solche erweist sich für immer 
          als unzugänglich. Und wenn du in einer anderen Welt warst, dann 
          in einer künstlichen, irrealen Welt. Leere Batterien... ein leeres, 
          totes Universum. Laut sage ich: "Ich habe nichts zu befürchten!"
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        Ich starre in eine 
          Zukunft, die sich in einem Korridor aus Spiegeln in der Ferne verliert. 
          Ich muss an die frische Luft. Diese Umgebung ist nicht mehr als ein 
          Flickwerk, ein heilloses Durcheinander. So ein System ist einfach nicht 
          komplex genug, detailliert genug oder auch nur konsistent genug, um 
          sich selbst erhalten zu können. Aber es muss auch die Möglichkeit 
          geben, dem Fremden, völlig Andersartigen gegenüberzutreten. 
          Wir dürfen uns nicht selbst einer solchen Chance berauben. Scheiss 
          drauf, was kümmerts mich? Vielleicht gibt es zuerst meine Phantasie, 
          und dann modifiziere ich mein "Wissen" über sie so lange, bis es 
          dazu passt. Ist das ironisch? Nein, ich habe meine Ironie rausgeschnitten. 
          Es ist mir egal, egal, egal. Man muss nicht warten, bis es ein komplettes, 
          funktionsfähiges Modell gibt.
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        Rein gefühlsmässig 
          scheint die komplexe Aufeinanderfolge von Simulationen in Simulationen 
          leicht verletzbar und instabil zu sein - jede neue Ebene potenziert 
          das Risiko einer Katastrophe. Die Anordnung entspricht bildlich einem 
          mehrdimensionalen Kartenhaus, das perfekt ausbalanciert ist und in einem 
          Universum ohne jede Erschütterung und Luftbewegung existiert. Ich 
          bemerke zufrieden, dass die Konstruktion der einzelnen Simulationsebenen 
          fehlerlos ist - und solange die Etage darunter hält, kann nichts 
          passieren. Sie beginnt wieder zu weinen, dann fasst sie sich plötzlich. 
          Ich habe das alles nur mir selbst angetan, es war der reine Irrsinn, 
          eine einzige Qual. Ich lebe nicht. Denkst du etwa, dass ich lebe?
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        Schliesslich erkenne 
          ich, was mich schon die ganze Zeit stört: Nichts an diesem Himmel 
          verändert sich. Die Wolken sind bis zur kleinsten Einzelheit vollkommen 
          regungslos - ich habe die Wolken eingefroren. Der Wechsel meiner Stimmungen 
          ist genau festgelegt. Ein Augenblick folgt dem anderen, völlig 
          ungezwungen, und mein Verstand wird sich nicht damit quälen müssen, 
          etwas anderes zu tun, als seiner inneren Logik zu folgen. Vielleicht 
          habe ich mein Schicksal in fremde Hände gelegt? Oder habe ich vollkommenen 
          Solipsismus gewählt? Warum zur Hölle bin ich wach? Ich habe 
          die Katharsis gewollt oder nicht? Sie flüstert: "Neustart." Die 
          Bewegungen meiner Augen und meines Kopfes stimmen nicht. Ich kann jederzeit 
          ausbrechen, wenn ich will. Ich bin nur Beobachter. Ich muss keine Furcht 
          haben. Es ist immer möglich, etwas völlig Neues zu schaffen: 
          eine neue Kunstform, eine neue Wissenschaft, eine neue Ästhetik. 
          Oder eine neue Leidenschaft. Denk nach, denk nach. Aber schnell. Ich 
          weiss nicht, wo ich beginnen soll, um all diesen Dingen einen Sinn zu 
          entlocken. Ich habe noch keinen festen Boden unter den Füssen. 
          Du kannst deine Nachbarn programmieren, wie du möchtest. Und wenn 
          ich nichts mache? Vorgegebenes Verhalten. Sie gehen mir aus dem Weg. 
          Diese Stadt ist eine Fälschung. Und dann beginnt sich jedesmal 
          der Nebel in meinem Kopf zu klären, und ich erkenne die Wahrheit. 
          Ich lebe in einem Artefakt.
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        Ich erwache aus 
          einem traumlosen Schlaf. Ich fühle mich frisch und ausgeruht. Das 
          Bett und das Zimmer erscheinen mir fremd. Alles wirkt auf eigenartige 
          Weise unberührt, nicht durch menschlichen Gebrauch verschmutzt. 
          Ich bin verwirrt, aber eigenartigerweise nicht beunruhigt. Sicher wird 
          sich bald eine Erklärung finden. Gefährlich. Wann wird das 
          endlich in deinen verdammten Schädel gehen? Wenn sie diese Umgebung 
          kontrollieren, dann bin ich machtlos. Sie können mich vergewaltigen, 
          foltern, quälen, was immer sie wollen. Sie kontrollieren doch das 
          gesamte Universum, oder nicht? Also gibt es hier nichts, dem ich vertrauen 
          könnte. Wir sind immer noch die alten, zusammengestückelten 
          Modelle menschlicher Körper, natürlich erweitert und nach 
          individuellen Gesichtspunkten angepasst. Ich will das nicht. Ich will 
          nichts von alledem. Alles, was ich kenne, geht im statischen Rauschen 
          unter.
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        Warum zur Hölle 
          wird die Illusion nicht perfekt? Rede mit mir. Irgend etwas ist nicht 
          in Ordnung. Ich versuche, die Lücke in meinem Gedächtnis zu 
          schliessen. Ich habe an meinem Gedächtnis herumgespielt, das ist 
          offensichtlich... Keine Trauer, kein Schmerz. Kein Glücklichsein? 
          Nichts passiert. Offensichtlich hat irgend etwas versagt. Die Frage 
          ist, auf welcher Ebene. Ich bin nicht einmal sicher, ob das Problem 
          auf die Region beschränkt ist oder ob es sich langsam ausbreitet... 
          oder ob es vielleicht schon überall angefangen hat. Vielleicht 
          geraten einige Leute in Panik... Aufstände? Plünderungen? 
          Das Gras ist weich, der Himmel hell, die Luft ruhig. Ich lasse mich 
          nicht täuschen. Es hat schon früher Augenblicke wie diesen 
          gegeben, Augenblicke, in denen sich die Stille nähert. Sie bedeuten 
          nichts, kündigen nichts an, ändern nichts. Die Stille meines 
          Gartens beginnt an meinen Nerven zu zerren... es ist, als starre ich 
          auf ein unverständliches Diagramm oder ein abstraktes Gemälde, 
          das ich nicht zu analysieren vermag. Ich blicke über den Rasen, 
          und plötzlich zerfliessen Farben und Texturen vor mir zu bedeutungslosen 
          Flecken aus Licht. Nichts hat sich bewegt, nichts hat sich verändert 
          - nur meine Fähigkeit, die Anordnung von Licht und Farben zu interpretieren, 
          ist verschwunden. Der Garten hat aufgehört zu existieren. Panik 
          steigt in mir auf. Blind taste ich nach meinem Handgelenk. Die Welt 
          ringsumher ist wieder da. Ich rolle mich im Gras zusammen und singe 
          leise vor mich hin.
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        Die feste Hierarchie 
          zwischen Realität und Simulation existiert nicht länger. Wieder 
          werden meine Befehle ignoriert. Aber es gibt keine strikte Logik, die 
          diese Phänomene untermauert. Alles wäre möglich. Ein 
          Gesang aus schwachem Zirpen und Summen liegt in der Luft. Es könnten 
          Grillen, Bienen oder Wespen oder auch Mosquitos sein. Mir fehlen die 
          Worte. Diese Welt ist offensichtlich nicht mein Werk, sie existiert 
          aus sich selbst heraus. Aber ich habe schon schlimmere Gegenden gesehen. 
          Vielleicht haben wir eine Art grammatischen Fehler gemacht. Vielleicht 
          hat irgend jemand... ich weiss nicht... eine Art neuer Umgebung konstruiert, 
          die viel besser ist... Die leere unzerstörbare Stadt tut nichts, 
          ausser sich selbst zu wiederholen: existieren, existieren, existieren. 
          Wer bin ich? Ich drücke auf ein Symbol mit der Aufschrift KLARHEIT. 
          Sie strahlt wie ein Idiot - wie ein Kind. Ich habe gerade einige Veränderungen 
          an meinem Gemütszustand vorgenommen.
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        Ich glaube, ich 
          habe jetzt die Hirnwelleninformationen, die ich brauche. Ja, heute hat 
          alles geklappt. Quatsch, denkt sie. Du willst mehr als das. Auf eine 
          lange Reise? Auf welche lange Reise? Ich fahre doch nirgendwo hin! Die 
          Wahrheit ist subtiler: Keine festen Bezugspunkte, keine unbeweglichen 
          Objekte, keine absolut gültigen Gesetze. Aber der Winkel meines 
          Geistes, der für solche Dinge reserviert ist, hat längst etwas 
          gewittert. Ich versuche, mich ausschliesslich auf das Aufsteigen in 
          die Bewusstseinsebene zu konzentrieren, während ein Strom von panischen 
          Fragen wie Blitzlichter in meinem Kopf zerplatzt. Ich reibe mir die 
          Augen und blicke noch einmal vorsichtig auf. Ein leises Knattern, das 
          ich nicht identifizieren kann, ist das einzige Geräusch. Es hat 
          also schon angefangen, denke ich stöhnend. Meine Kiefermuskeln 
          spannen sich. Und da liegt das Problem.
        20
        Weil sie ein echtes 
          Ungeheuer im Umgang ist. Ein gefangenes Gehirn, genial, aber vollkommen 
          fremdartig. Ihr Verständnis der menschlichen Sprache ist nicht 
          ausreichend, sie kann dieser Logik nicht folgen. Sie kennt keine Prioritäten, 
          jeder Sinn für Bedürfnisse oder Ziele geht ihr ab. Sie denkt, 
          aber sie bietet keine Lösung. Und dann endet das Ganze in totaler 
          Verwirrung. Na schön, es ist faszinierend. Aber ich kann jetzt 
          keine Extra-Belastung gebrauchen, auch keine Ablenkung. Die ersten Anzeichen 
          von Schwierigkeiten lassen nicht lange auf sich warten. Sie weiss nicht, 
          wie es ist, wenn man im Dreck steckt. Sie weiss es mit dem Verstand. 
          Aber sie weiss nicht, was ein echter dreckiger Kampf ist. Der Befehl 
          lautet: die tiefste Zelle, keinerlei Kontakt. Ich entdecke weder Schmutzflecken 
          noch Essensreste oder vertrocknetes Blut an mir. Eiskaltes Wasser platscht 
          mir ins Gesicht. Ich liege auf dem Fussboden. Es ist still. Niemand 
          ist hier. Alles ist alt. Alles ist billig. Alles ist schwarz oder grau. 
          Ich bin mir einfach nicht sicher. Ich bin noch nicht soweit, dass ich 
          irgend etwas versprechen kann. Clevere Arbeit. Kommt nur etwas zu spät. 
          Die Probleme beginnen, wenn wir zu clever sind. Oder vielleicht nicht 
          clever genug.
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        Es ist eine schöne 
          Geschichte. Etwas in ihr spricht mich an, obwohl sie mich auch zornig 
          und ängstlich macht. Einige der leeren Städte sind tot und 
          deshalb ohne Gefahr zu betreten. Meiner Meinung nach sind die Städte 
          nicht bösartig. Nur unzuverlässig. Aus den Augenwinkeln nehme 
          ich am nördlichen Horizont ein weisses Glitzern wahr. Es kann ein 
          Ort sein, ein Gegenstand, ein Gedanke, ein Gefühl. Ich muss mir 
          selber gratulieren. Meine Darstellungen sind gut. Das Innere zeigt eine 
          einfache Welt aus winzigen Plastikfiguren, die an ihren Sitzen festgeklebt 
          sind. Superdeterminismus. Alles muss so geschehen, wie es geschieht. 
          Alle Unterschiede zwischen dem Beobachter und dem beobachteten Objekt, 
          zwischen den Ereignissen und den Beteiligten sind willkürlich festgelegt. 
          Ich muss das sagen, was ich sage. Ich muss so reagieren, wie ich reagiere. 
          Was ich mir vorstelle, ist recht einfach: Dieser Körper verfügt 
          über eine ganze Reihe von eingebauten Fähigkeiten. Er ist 
          nur eine Maschine. Sie macht genau das, wofür sie konstruiert worden 
          ist.
        22
        Ich kenne meinen 
          Namen, weiss, wo ich wohne, kann mich aber nicht erinnern, woran ich 
          arbeite. Die Luft, obwohl kühl, riecht sauber. Die bekannten Konturen 
          um mich herum verschwimmen bedrohlich. Vielleicht, wenn alles wieder 
          da ist... Das Gedächtnis ist die Grundlage dafür. Erkenntnisse 
          entstehen aus Zusammenhängen, Daten, die sich miteinander verbinden, 
          besonders gern über die Grenzen der Bezugslosigkeit hinweg. Wenn 
          die Informationen entführt sind, können sie sich nicht mehr 
          zufällig verbinden. Szenen aus alten, schlechten Filmen gehen mir 
          durch den Kopf. Ich muss alles wieder in Ordnung bringen. Mit wem rede 
          ich? Diese verdammte Angelegenheit setzt mir zu. Ich bin Soldat. Berufssoldat. 
          Ich habe früh gelernt, das zu tun, was getan werden muss. Selbst 
          wenn es stinkt. Das ist Teil des Jobs. Man merkt nicht, was passiert, 
          denn es... es zerstört dein geschlossenes Bezugssystem. Sie drücken 
          den Knopf - was passiert? Der Zielbereich verschwindet. Nach einiger 
          Zeit stellen die Leute fest, dass nicht alles in Ordnung ist.
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        Die Düsternis 
          kommt zurück wie ein Nebel. Krachende Waffen, schreiende Banditen, 
          kopflose Flucht über kahle Lichtungen. Abwehr von wem oder was? 
          Und überhaupt, was habe ich schon zu verlieren? Sie scheint imstande, 
          Szenen mit dem bestürzenden Hinweis auf unsichtbare, unbekannte, 
          fremdartige Präsenzen zu schaffen, die gerade am Rande der Wahrnehmung 
          lauern. Ich fühle mich zunehmend unbehaglicher. Ist da jemand, 
          auf den man sich verlassen kann, wenn es hart auf hart geht? Irgendwas 
          wird hier direkt vor mir über die Bühne gehen. Das schreien 
          mir alle meine Instinkte zu. Und dies ist nur der Eingang zu dem System. 
          Die Lichtung ist verlassen. Natürlich besteht ein Risiko, dass 
          sich das, wonach ich suche, viel tiefer im Inneren des Systems befindet, 
          aber dieses Risiko muss ich eingehen. Hängt alles davon ab, wie 
          das System organisiert ist. Ich habe Glück. Null Problemo. Die 
          Logik ist wasserdicht. Man braucht nicht gross nachzudenken, um zu erkennen, 
          dass manche Dinge falsch sind. Das ist etwas, das man empfinden muss. 
          Wenn man nichts empfindet, hat man keinen Sinn für richtig und 
          falsch.
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        Schockbehandlung 
          klappt nicht, wenn man nicht bereit ist, sie auch durchzuziehen. Oder? 
          Es ist noch alles da. Ich muss einfach damit leben. Irgendwo in der 
          Gosse. Spielt keine Rolle. Diesen Kummer wirst du immer mit dir herumschleppen. 
          Und du belügst dich. Und es klappt sowieso nicht. Sie ist so zielstrebig 
          auf Selbstzerstörung aus... Aber das ist jetzt unwichtig. Die Botschaft 
          bezieht sich auf andere in der gleichen Situation. Nämlich, wenn 
          man nicht die ganze Zeit so verdammt hart mit sich selbst umspringt, 
          ist es viel leichter, anderen etwas zu bedeuten.
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        Das verstehe ich 
          nicht. Die Hälfte dieses Drecks ist völlig irrelevant. Es 
          muss irgendeine Verschlüsselung geben. Es ist die gleiche unangenehme 
          Mischung, die ich an jedem Ort der Welt erwarte: Aggression, Lust, unter 
          der Oberfläche brodelnde Gewaltbereitschaft. Jedenfalls befinden 
          wir uns jetzt in einer Sackgasse. Wenn ich weiter die Systeme der Welt 
          durchsuche, wird das Bild vielleicht nur noch trüber. Mal angenommen, 
          es gibt eine Möglichkeit, die Menschen zu verändern. Sie ruhiger 
          zu machen. Gefügiger. Leichter zu kontrollieren. Irgend etwas, 
          um diese verrückte Gewalttätigkeit in ihnen auszulöschen. 
          Keine Zerstörung mehr, keine Kriege mehr. Es muss irgendeinen Vektor 
          geben. Aber warum soll ich davon abgehalten werden? Als Film wäre 
          es nicht der gross Hit, ich weiss. Wissen sie schon Bescheid? Ist es 
          möglich, dass sie mich beobachten? Nach Zeichen von Schwäche 
          Ausschau halten? Warten, dass ich einen Fehler begehe? Alles ist möglich. 
          Gehirnwäsche und Gedankenkontrolle erreichen Ebenen subtiler Verfeinerung, 
          von denen die grossen Diktatoren nicht einmal träumten. Du darfst 
          lenken, oder du wirst gelenkt.
        26
        Es wird kompliziert. 
          Wo kommst du her? Wo wohnst du? Ich wohne hier. Hältst du es für 
          ungefährlich, auf die Strasse zu gehen? Ich weiss, welche Pflanzen 
          ungefährlich sind und welche nicht. Ich weiss, was man anziehen 
          soll und was nicht. Ist das Teil des Experiments? Teil des Plans? Hinaus 
          in die Nacht! Heute abend gibt es praktisch keine Einschränkungen. 
          Schreckt nicht zurück vor euren Pflichten. Wenn wir grausam sein 
          müssen, um gütig zu sein, so sei es! Die Gesetze der Natur 
          sind hart, und auch wir müssen hart sein, wenn wir die natürliche 
          Ordnung aufrechterhalten wollen. Umgekehrte Anatomie, so muss es enden. 
          Du bist kein kleiner Roboter wie die anderen. Ich suche eine bestimmte 
          frenetische Struktur für ihre Stimmen. Etwas von ihrem Stoffwechsel 
          sollte mit hineingebracht werden... ihr schneller aufgeregter Herzschlag... 
          Du hast interessante Unvollkommenheiten.
        27
        Angeblich soll das 
          Programm entspannen. Das Wort ist zwiespältig... In einem gewissen 
          Licht nehmen Dinge einen anderen Aspekt an, können sich ändern. 
          Also nichts Reales. Sie spricht, doch ohne ihre Stimme zu gebrauchen. 
          Ich... ich bin hungrig. Sie erschöpfen mich, diese Träume. 
          Sie sind schön, aber sie erschöpfen mich. Das Thema? Wir sind 
          das Thema. Das einzig Wichtige, denn unsere ganze Lebensweise steht 
          auf dem Spiel. Ich merke, wie mein Körper zu reagieren beginnt. 
          Geben und nehmen, geben und nehmen. Einen Moment lang will ich mich 
          einfach umdrehen, weggehen und sagen, das ist nicht meine Sache, soll 
          sich jemand anders darum kümmern. Doch ich weiss, dass ich das 
          nicht kann. Es gibt niemand anders. Sie hat wieder dieses Glitzern in 
          den Augen.
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        Ich liege wieder 
          mit dem Gesicht nach unten im Schmutz. Dann ändert sich die Szenerie. 
          Das Haus ist jetzt eine ausgebrannte Ruine. Die Zombies schlurfen mit 
          ausgestreckten Armen auf mich zu, die Gesichter leer und zugleich voller 
          Qual. Was alles so fürchterlich macht, ist die absolute Unpersönlichkeit, 
          die allem anhaftet. Du bist da auf etwas Schlimmes gestossen. In der 
          Dunkelheit kann ich keine Einzelheiten erkennen. Spiel, Satz und Sieg. 
          Ich habe nichts, denke ich. Und ich kann nicht darüber reden. Die 
          Abschaltung aller Systeme ist von einem Diagnoseprogramm ausgelöst 
          worden.
        29
        Ein paar Augenblicke 
          verstreichen. Rituale müssen erfüllt werden. Gewisse Dinge 
          müssen auf eine gewisse Art erledigt werden. Es ist eine Frage 
          des Respekts. Farbenprächtige exotische Vögel flattern umher. 
          Büsche, blühende Sträucher, Blumenbeete. Ein Wasserfall. 
          Ein Pfad, der sich durch die Anlage windet wie ein Strom aus reinweissem 
          flüssigen Marmor. Der Rest ist ernst, sogar grimmig. Diese Kerle, 
          sie machen mich krank. Sie sind wie Hunde. Es gibt nichts, was sie nicht 
          für Geld täten. Sie haben die Trennlinie zur Finsternis längst 
          überschritten. Niemand macht sich etwas daraus. Jeder hier hat 
          sein eigenes Überlebensprogramm. Wissen wir. Dies ist unser Sektor. 
          Freie Zone. Keine Ausweise, keine Kennmarken, keine Beschränkungen. 
          Keine Systemidentifikationsnummern. Kein wie immer geartetes offizielles 
          Irgendwas. Es ist wie ein mörderisches Ballett.
        30
        Sieht perfekt aus. 
          Das Hirn ist ständig mit einem Signal gekoppelt, das auf geringstmögliche 
          Stärke eingestellt ist. Das reicht zwar nicht, um sie vollständig 
          von der Realität abzuschneiden, aber es ist mehr als genug, um 
          sie die Welt, die reale Welt, durch eine rosa Brille sehen zu lassen. 
          Was sie sehen, ist eine Enklave der Macht und des Geldes. Wo jeder sein 
          will. Keine Wahl. Die Vorstellung macht mir angst, aber ich reisse mich 
          zusammen. Ich sage mir immer wieder, dass ich in Wirklichkeit gar nicht 
          hier bin. Ich bin in Sicherheit. Sie grinst. Was dann geschieht, trifft 
          sie völlig unvorbereitet. Die Dinge bewegen sich so rasch, dass 
          ich nicht mehr mitkomme. Alles sieht cool aus. Es geht mir blendend. 
          Äusserst erfreulich, äusserst zufriedenstellend. Willst du 
          mitmachen? Jeder will irgendwas. Die Botschaft ist klar. Ich lese sie 
          jeden Tag in den Augen der Leute. Geld regiert. Die Musik wird noch 
          lauter. Lichter blitzen und flackern.
        31
        Ihre Miene ist wie 
          aus Stein gemeisselt, ausdruckslos. In der Stimme liegt gar nichts, 
          keine Bosheit, nicht einmal eine Spur von Drohung. Es spielt keine Rolle. 
          Nichts, was sie sagt, spielt eine Rolle. Ihre Stimme klingt fast mechanisch, 
          als sie murmelt: "Keine Chance." Die Augenblicke dehnen sich wie Minuten. 
          Sackgasse oder Tod? Ich bin schon öfter an dieser Weggabelung gestanden. 
          Manchmal kommt mir vor, mein ganzes Leben setzt sich aus Augenblicken 
          wie diesen zusammen. Mein Herz rast, aber ich kann dem Tod problemlos 
          ins Angesicht schauen. Was geschieht, geschieht eben. Fast im Flüsterton 
          sagt sie: "Beim nächsten Mal musst du schneller sein." Es ist mir 
          egal. Mach deinen Job oder stirb. Das oder gar nichts. Der Vogel ist 
          gestartet.
        32
        Sie lehnt am Eingang 
          und starrt ins Nichts. Natürlich starrt sie nicht ins Nichts. Gerade 
          ist alles noch cool, und im nächsten Augenblick ertönt plötzlich 
          Gewehrfeuer von draussen. Und dann rennen alle durcheinander wie bei 
          einem Feueralarm. Wie aufgescheuchte Ratten. Noch einmal das Stakkato 
          einer Salve, und wieder ein Schrei, der noch eine Weile anhält, 
          bevor er schliesslich abrupt abbricht. Alle lauern geduckt in der Dunkelheit. 
          Es wird immer besser. Was ist mit dem Informationsfluss los, kann mir 
          das jemand sagen? Die Verdrahtung ist heute eine andere. Es gibt keine 
          Manieren, keine offiziellen Regeln oder Wettkämpfe. Wie Löwen 
          in der Wildnis. Das gleiche Flair von Lässigkeit und latenter Gewalttätigkeit... 
          Manchmal fühle ich mich wie eine entsicherte Waffe, die einfach 
          vergessen worden ist. Oder so ähnlich. Was ist das? Ruft mich jemand? 
          Ich weiss nicht, wer und warum, und es ist mir auch egal. Ich ignoriere 
          das Rufen. Jemand packt meine Schulter und rüttelt mich. Das kann 
          ich jetzt nicht mehr ignorieren.
        33
        Die Stille dehnt 
          sich unerträglich, und ich verspüre den irrationalen Drang 
          loszuplappern, nur um die Zeit schneller verstreichen zu lassen. Im 
          Herzen der Bestie... der Teufel muss sich hier wohlfühlen. Überall 
          vermischt sich das Verfallene, Verkohlte, Verbrauchte mit dem Glanz 
          und Glitter. Zeit, sich zu konzentrieren, sage ich mir. Sie will immer 
          persönlich dabei sein, in Fleisch und Blut. Um das Kommen und Gehen 
          zu beobachten. Darstellungen von Fraktalen funkeln an den Wänden. 
          Sie steht mit gespreizten Beinen da, die Arme locker herabhängend, 
          den Kopf aufrecht, auf der Hut. Ihr haltet besser Abstand. Aufgabe des 
          Schriftstellers ist es, zu beobachten und zu lauschen. Die Strukturen 
          der Welt in Erfahrung zu bringen und sie den anderen zu enthüllen. 
          Für meine Wahrnehmung ist der Ort dunkel, emotionslos, tot. Er 
          besteht aus leblosen Dingen: Plastik, Metall, Beton. Die Nacht ist kühl. 
          Widerwärtige Gerüche liegen in der Luft. Es ist keine Übung. 
          Es macht mir grossen Spass.
        34
        Die Ausübung 
          dieser Kunst entzieht sich jeder Erklärung, und zwar aus dem einfachen 
          Grund, weil diese Kunst an sich absurd ist. Welche Worte können 
          die gewünschte Wirkung erzielen... Die Sprache kann unerträglich 
          heikel und ungenau sein. Kein Sinn für Humor. Ja, ich habe einen 
          Auftrag. Ich rase... Niemand wird mich kommen sehen. Ich übernehme 
          das Kommando. Normale Funktionen fortsetzen. Keine Einmischungen in 
          eventuelle Veränderungen, die ich im System vornehme. Ich brauche 
          lediglich auf die richtigen virtuellen Knöpfe zu drücken. 
          Es gibt keine offensichtlichen Hinweis darauf, was geschehen ist. Keine 
          Schäden an der Kleidung, keine offensichtlichen Spuren einer Wunde. 
          Plötzlich erklingt ein Warnton. Die Sekunden ticken dahin. Nichts 
          ändert sich. Sie geniesst ganz eindeutig jeden Augenblick. Ich 
          erzeuge Illusionen. Ich werde euch nichts tun.
        35
        Es ist kein so guter 
          Platz zum Leben, eher ein Plastikbehälter oder eine Art Sarg, wirklich. 
          Und ziemlich viel Druck. Wir haben unsere Sache gut gemacht, bis jetzt. 
          Niemand hat auch nur einen Kratzer abbekommen. Aber irgendwas liegt 
          in der Luft. Fühlt sich nicht gut an. Überall in der Gegend 
          brechen jetzt heftige Schiessereien aus, automatisches Feuer, das hin 
          und wieder vom Donnern schwerer Waffen übertönt wird. Sie 
          schreit auf. Zutritt für Unbefugte verboten. Etwas Schweres knallt 
          gegen kreischendes Metall. Ein Sicherheitslaufsteg aus Beton. Der Asphalt 
          sieht richtig sauber aus. Nirgendwo Abfälle. Die Morgendämmerung 
          bricht an, draussen herrscht düsteres Zwielicht. Die alten Häuser 
          am Strassenrand werfen dunkle Schatten. Ein Merkmal der Todeszone. Es 
          geht so schnell vorbei, wie es kommt.
        36
        An einem gewissen 
          Punkt lässt einen das Adrenalin glauben, man könne ewig so 
          weitermachen. Aber man braucht nur die Augen zu schliessen und sich 
          für einen Augenblick zu entspannen, und schon bricht die Müdigkeit 
          über einem zusammen wie eine Flutwelle. Das Unerwartete ist ein 
          integraler Bestandteil dieses Spiels. Vielleicht bekommen wir jetzt 
          etwas Luft. Zumindest für ein paar Stunden. Auf welches Zuhause 
          beziehst du dich? Das ist ein wunder Punkt. Jeder Idiot kann das erkennen. 
          Hat es Komplikationen gegeben? Ein kleiner bitterer Sieg. Die Wände 
          pulsieren rot. Das System schaltet auf aktiven Alarmzustand. Die Wölfe 
          greifen knurrend mit gebleckten Zähnen an. Wir müssen das 
          Richtige tun, auch wenn wir dabei alle draufgehen. Ich will Informationen. 
          Ich bin in einem Wald mit einer finsteren Ausstrahlung von Gefahr. Dicke 
          graue Nebelschwaden wallen über den Boden. Gefahr lauert in hohlen 
          Baumstämmen, im abgestandenen Wasser eines blubbernden Teiches, 
          in den riesigen schwarzen Gestalten, die überall in der Dunkelheit 
          warten und leise durchs Unterholz rascheln. Viele Wege führen in 
          diesen entsetzlichen Elektronenwald.
        37
        Die Wirklichkeit 
          ist rauh. Wir brauchen andere Perspektiven, andere Inputs. Es wird ernst. 
          Sie hat die Führung übernommen, weil sie sich auskennt. Sie 
          kennt die Verfahrensweisen, die Sprachregelungen. Ich sehe die Welt 
          auf meine Weise. Ich weiss, dass nur wenige meine Sichtweise teilen. 
          Mir ist klar, dass die meisten das Leben auf eine Weise betrachten, 
          die entweder fehlerhaft oder illusorisch ist. Das Problem besteht natürlich 
          darin, dass es den anderen an meinen Fähigkeiten mangelt. Ich gebe 
          auf. Nicht schiessen. Ich komme raus. Gesicht auf dem Boden. Die Paranoia 
          greift um sich. Guter Gott, was haben sie mit ihr gemacht? Ihre Hände 
          bewegen sich unablässig, bedecken ihren Mund, dann ihre Augen, 
          wischen über Stirn und Wangen. Ihre Augen sind rot, die Haare wirr. 
          Was wird mit mir geschehen? Sie besitzt geringfügige rohe Fähigkeiten. 
          Unfertige, ungeübte. Sensibilität, eine Art natürlichen 
          Widerstand und grosse Willenskraft. Sie braucht länger als nur 
          ein paar Augenblicke, um sich zu beruhigen. Wenn es eine Schau ist, 
          dann jedenfalls eine verdammt gute. Jede Bewegung sitzt, eine makellose 
          Vorstellung.
        38
        Dieser Raum muss 
          eingehender untersucht werden. Hier funkelt Leben, wenn auch schwach. 
          So viel zu Vorwarnungen. Und dann heisst es: nichts wie weg! Schwere 
          Waffen dröhnen. Das ist ganz schlecht. In diesem Fall hat das Einfache 
          das Komplizierte bedeutungslos gemacht. Oder beinahe bedeutungslos. 
          Auf der Strasse muss man schnell handeln oder man ist tot. Gute Instinkte 
          haben. Wie soll man es sonst nennen? Sie muss sich als Mann beweisen. 
          Sie muss Dinge tun. Verrückte, gefährliche Dinge. Ihr Lächeln 
          wird weicher. Eine Welt wirbelnden Rauchs und lächelnden Zorns. 
          Sie sind gut organisiert und stellen die ganze Nacht Wachen auf. Ich 
          werde ihnen einen Weg zurück ins Leben anbieten. Warum nicht? Einfach 
          drauflos. Es liest sich interessant. Ja. Aber nicht schlüssig. 
          Genau. Es ist ein Anfang. Etwas, womit man arbeiten kann.
        39
        Das Zimmer ist klein, 
          die Einrichtung primitiv und das Mobiliar schäbig. Die Wände 
          sind so bemalt, dass sie wie ein Wald aussehen. Für mich sind alle 
          diese Orte gleich. Eine einzige Masse Stahlbeton. Ein mieser Haufen 
          Scheisse. Wenn ich nur mehr darüber wüsste, was eigentlich 
          vorgeht. Das kann schlimm werden, echt schlimm. Hat es mit mir zu tun? 
          Es könnte eine Menge mit mir zu tun haben, je nachdem, wie sich 
          die Dinge entwickeln. Was stimmt nicht mit der Gesellschaft? Zuviel 
          Zwang! Zwang zu Jahren ohne Hoffnung, ohne Ziel und ohne Ende. Die Schutzvorrichtungen 
          sind getarnt, verborgen, absichtlich verhüllt. Das gehört 
          selbstverständlich zur Strategie. Sie wollen mich in einem Zustand 
          mentaler Unsicherheit und emotionalen Aufruhrs halten. Sie wollen mich 
          unterwürfig. Schwach. Eine elementare Vorgehensweise. Ein hübscher 
          kleiner Trick, um meine Angst und Verwirrung noch zu vergrössern. 
          Gewisse Fakten dieser Art wollen mir nicht aus dem Kopf gehen. Unvermeidlich, 
          lautet der Fachausdruck.
         40
        Man kann einen Kerl 
          nicht derartig zuschneiden. Man kann ihn nicht zum Duplikat einer anderen 
          Person machen. Man kann die Spuren nicht auslöschen. Jedenfalls 
          nicht alle. Die Schmerzen sind angeblich unerträglich. Manche Leute 
          verwandeln sich praktisch über Nacht. Andere werden ganz einfach 
          wahnsinnig. Ich habe keine Zukunft. Wir reden über die Vergangenheit. 
          Ich will aber über die Zukunft reden. Du hast etwas bemerkt? Verdammt 
          gute Frage. Sei ganz vorsichtig. Ihre Augen sind weit aufgerissen. Hat 
          uns jemand verkauft? Sehr wahrscheinlich. Aber wir sind gewarnt. Wir 
          sollten verschwinden. Wir sind wie Bauern in einem Schachspiel benutzt 
          worden. Vielleicht, vielleicht nicht. Lass uns abschwirren. Dieser geballten 
          Macht kann man sich nicht entziehen.
        41
        Die Frage lautet: 
          Wie bekommen wir, was wir brauchen? Ich bin gefoppt worden. Es ist eine 
          Nacht der Listen und Tricks. Und diesmal werde ich auf keine noch so 
          schlaue Illusion hereinfallen. Wir alle kennen die Risiken. Der Tod 
          ist ein integraler Bestandteil des Spiels. Das Geld können wir 
          trotzdem brauchen - wenn alles cool ist, machen wir es. Sie reibt sich 
          die Stirn. Mittlerweile hätten mir mindestens hundert Fragen in 
          den Sinn kommen müssen. Vielleicht bin ich aber auch zu müde, 
          um so angestrengt zu denken. Zu viele Fakten spielen mit hinein. Man 
          muss sich auf die Schlüsselaspekte konzentrieren. Auf das, was 
          wirklich zählt. Sie sitzt auf der Toilette, das Gesicht in den 
          Händen, und ringt um ihre Fassung. Das Spiel zwingt mich, meine 
          geistige Grundhaltung sehr abrupt zu ändern, in wenig mehr als 
          einem Augenblick. Ich bin gezwungen, sehr rasch zu denken, Intuitionssprünge 
          zu vollziehen, zu denen ich mich nur halb in der Lage fühle. Danach 
          stehe ich am Rand einer Ohnmacht - starkes Zittern, Herzklopfen. Mir 
          geht zuviel im Kopf herum.
         42
        Ich habe das Gefühl, 
          als rauschten die Dinge zu schnell an mir vorbei, als entglitten sie 
          meiner Kontrolle. Sie sagt sich, dass dem nicht so ist. Ihr Plan nimmt 
          Gestalt an. Ich werde ihn in die Tat umsetzen. Es ist eine beängstigende 
          Erkenntnis. Die letzten Tage sind mit derartigen Erkenntnissen überfrachtet 
          gewesen. Ich denke daran. Ich schliesse die Augen und sage mir noch 
          einmal, dass ich es irgendwie schaffen werde. Ich habe keine Wahl. Alles 
          hängt davon ab. Ich werde tun, was ich tun muss. Viel zu bald. 
          Das Timing ist absolut präzise. Ich verfüge über spezielle 
          Informationen, die nicht durch die üblichen Kanäle geflossen 
          sind. Mache ich dich nervös? Nein, wahrscheinlich ist es besser, 
          wenn ich nichts tue, nichts sage, überhaupt nicht reagiere. Keine 
          Alarmsirenen, keine Schreie... soweit so gut. Habe ich eine andere Wahl, 
          verdammt? Sehr riskant. Drück auf die Tube. Ein ungünstiges 
          Kräfteverhältnis. Bleib in Bewegung! Was zum Teufel stimmt 
          nicht mit mir? Meine Beine geben nach, und ich schlage schwer auf den 
          Boden auf. Es ist vorbei. Ich bin bereits tot. Ich lege den Kopf auf 
          den kühlen Asphalt und atme tief aus. Ich werde einfach hier liegen 
          bleiben, bis sich die letzten Lebensfunken in der Nacht verflüchtigt 
          haben. Ich bekomme keinen zusammenhängenden Satz heraus. Ich kann 
          nicht glauben, was ich vor mir sehe. Ich entferne mich sofort aus dieser 
          Strasse des Todes.
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        Der heutige Tag 
          ist perfekt. Ich habe mich noch nie so lebendig gefühlt. In ihren 
          Augen funkelt eine kaum gebändigte Erregung. Ist das klug? Ein 
          perfektes Werkzeug. Es ist alles sehr ausgereift. Eine Welt, in der 
          man kurzen Prozess macht. Hier zahlt es sich aus, paranoid zu sein. 
          Die Bildschirme glimmen in weichen Farben und zeigen tausend verschiedene 
          Bilder. Ich starre sie an und versuche, den komplexen Ketten von Symbolen 
          einen Sinn abzugewinnen. All dies stellt eine fremdartige Sprache dar, 
          doch ich habe das Gefühl, dass diese Formen - die Spiralen und 
          die sich verzweigenden Bäume, die Büschel und die unregelmässigen 
          Pyramiden - etwas mit der komplizierten Chemie des menschlichen Körpers 
          zu tun haben. Was ich mache, ist eine Art Kunst. Nur wenige andere können 
          das - ein abnormes Verhalten als schlüssigen Teil der Realität 
          erscheinen zu lassen. Eine falsche Erfahrungslandschaft wird hervorgerufen. 
          Eine bewegte Landschaft mit einer vorbestimmten Ereigniskette. Wichtig 
          ist nur, welche Informationen die zentralen Bilder enthalten. Ich weiss. 
          Ich empfinde es auch so. Wir fühlen uns stark davon angezogen.
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        Wir stehen für 
          uns. Aber stimmt das auch? Oder werden wir von unbekannten Kräften 
          geformt? Die Ströme sind verschmutzt. Wohin ist meine Gewissheit 
          verschwunden? Solche Träume bedeuten etwas. Man hat dich auch deshalb 
          ausgewählt, weil du nicht Teil dieser furchtbaren Maschinerie bist. 
          Solche Talente müssen eingespannt werden, man muss sie belohnen 
          oder vernichten. Kontrolle ist der Schlüssel. Gelenktes Interesse. 
          Wie die Luft zum Atmen. Hat es einen Namen? Brutale Neukonditionierung. 
          Vielleicht war ich früher einmal anders. Aber was hats mir eingebracht? 
          Sie haben mich konditioniert. Mich von meiner Vergangenheit abgetrennt 
          und mich gelehrt, der dunklen Seite meines Ichs zu misstrauen. Doch 
          es ist genau dieser Teil von mir, aus dem alles hervorgeht. Der denkende 
          Teil ist nur der Prozessor... Die Einsichten stammen aus einer tieferen 
          Quelle. Ich lächle, weil ich weiss, dass sie mich beobachten und 
          hören, was ich sage. Ich beherrsche dieses Spiel viel besser als 
          sie. Sehr viel besser. Dennoch tut es weh.
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        Eine Andeutung von 
          Gewalttätigkeit. Die Luft ist so unbewegt wie im Innern einer versiegelten 
          Kiste. Nichts rührt sich, kein Blätterrascheln, keins der 
          weichen, leisen Geräusche von bewegtem Wasser, kein Summen von 
          Insekten. So gefällts ihnen. Aber es befriedigt sie nicht. Nichts 
          hier kann einen befriedigen. Es sind alles nur Oberflächen. Es 
          gibt hier keine Tiefe. Nichts ist irgendwo verwurzelt. Eine unvollkommene 
          Mimikry. Gibt es denn sonst nichts? Nur diesen teuflischen Handel? Ich 
          hab immer gegen das System gekämpft. Seit ich weiss, dass ich es 
          kann. Anfangs nur mit Kleinigkeiten. Aber diese obsessive Gewissenhaftigkeit 
          ist auf ihre Art schon beeindruckend. Wie schön alles im Licht 
          der Laternen aussieht, wie perfekt, und doch... Die Dinge sollten so 
          sein, wie sie erscheinen. Nein, die Dinge sollten so erscheinen, wie 
          sie wirklich sind. Nun, dies hier ist genug Material.
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        Erst jetzt begreife 
          ich allmählich den Preis, den ein solcher Realismus kostet: die 
          einschränkenden Faktoren und die beteiligten Disziplinen. Es reicht 
          nicht aus, die perfekte Illusion zu schaffen. Es ist ausserdem notwendig, 
          eine fortwährende Integrität im Geist des Beobachters aufrechtzuerhalten. 
          Natürlich gibt es eine einfache Antwort: man merzt alle Verstösse 
          gegen die fortlaufende Integrität aus. Ich sehe nur Probleme, keine 
          Lösungen. Ich hole einmal tief und zittrig Luft. Kleine Schritte, 
          sage ich zu mir... eine weiche und leise Stimme in der Dunkelheit. Aber 
          zuerst werde ich sie unterminieren. Erst werde ich ihr Selbstvertrauen 
          erschüttern und sie dazu bringen, alles in Frage zu stellen, was 
          sie unternehmen. Willst du das wirklich so haben? Sieg oder Niederlage 
          hat keine Bedeutung für mich. Ist ohne Interesse. Sie dreht sich 
          um und reibt sich die Augen, zu müde, um den Gedanken weiterzuverfolgen. 
          Und am Morgen? Am Morgen werde ich wieder von vorn anfangen.
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        Was für eine 
          Zeitverschwendung, so zu leben wie wir. So viele Welten. Und alle so 
          kalt. Ein Tier, das denken und fühlen kann. Nein. Wir sind wie 
          zwei Maschinen, die miteinander Daten austauschen. Nichts Reales. Ein 
          Fetzen Dunkelheit. Das Spiel als solches ist gut. Aber warum machen 
          wir das Spiel nicht etwas aufregender? In ihren erschrockenen Gesichtern 
          dämmert langsam das Begreifen. Jetzt hast dus endlich kapiert. 
          Ist es meine Schuld, dass diese Dinge aus der Welt verschwinden? Du 
          vergisst schnell. Du bist wie ein kleines Kind, weisst du das? Ich habe 
          herausgefunden, dass es auf keine andere Art bewerkstelligt werden kann. 
          Solange man nicht aufblickt. Solange man nicht stehenbleibt und die 
          Dunkelheit ringsherum sieht. Es sollte eine von aller Bedeutung befreite 
          Landschaft sein. Eine Landschaft beziehungsloser Formen. Ein wirklicher 
          Ort. Wie dunkel es dort auch ist. Es kommt mir so real vor. Aufwachen, 
          und dann wieder aufwachen. Es muss einfach so real wie möglich 
          sein. Eine Kunst, vor der man sich fürchten muss. Vielleicht gibts 
          nichts anderes. Nur verschiedene Dinge, die man gern haben will. Aber 
          ich hab recht, oder? Das hat gesessen. Mitten ins Schwarze! 
        
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